Sonntag, Juli 30, 2006

Reiche Ausbeute

Manche Tage sind wahnsinnig ergiebig, und da ich mit dem Veröffentlichen eh schon hoffnungslos im Rückstand bin, liste ich hier einfach mal die gesamte Ausbeute des gestrigen Tages auf.

"Ich möchte ein Visum beantworten."

"Bin ich schwer?" (Nachdem die Lehrerin zugeben mußte, den Schüler einfach nicht verstanden zu haben.)

"Warum sollen die Reifen gewechselt werden?"
"Weil er bergsteigen möchte."

"Das Auto geht schlecht."

"Was fängt Ihr Auto?"

"Ich möchte meine Autos Motor überheizen."

"Ich war Urlaub."

"Der Fernseher wird sterben."

"Welches Land kommt aus der Fernseher?"

"Haben Sie sonst noch etwas gestohlen?" (Frage des "Polizisten" an das "Einbruchopfer")

"Vor kurzem habe ich aufgewacht, und mein Fernseher und meinen Computer gestorben."

Tenjin Matsuri

Mal abgesehen davon, daß ich meinen Yukata der Weltöffentlichkeit vorführen wollte, sind wir vor allem deshalb zum Tenjin Matsuri gegangen, um das Feuerwerk und die Bootsparade auf dem Ō-gawa zu sehen. Bei dieser sogenannten Funatogyo-Zeremonie fahren 100 heilige Boote den Fluß auf und ab, es gibt ein riesiges Feuerwerk, und schließlich erreicht die ganze Prozession den Tenmangu-Schrein. Weil die Veranstaltung eines von Japans drei größten und ehrwürdigsten Festivals ist (mein Reiseführer benutzt das Wort "grand"), machten wir uns auf einen großen Besucherandrang gefaßt. Da waren wir nicht die einzigen.


Am Ausgang der U-Bahnstation konnte man an mehreren Tischen schon vorgelöste Fahrkarten erwerben. An jedem Tisch gab es eine andere andere Preisklasse. So sollte vermieden werden, daß sich nach dem Feuerwerk lange Schlangen an den Automaten bilden. Das nenne ich Organisation! Überflüssig zu sagen, daß wir die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen ließen und gleich Karten für den Rückweg erwarben.

Anschließend folgten wir einfach der Menge, den Hinweisschildern und den Ordnern, bis wir auf der Temmabashi-Brücke ein freies Plätzchen mit Blick auf die Bootsparade ergatterten. Die andere Brückenseite wäre günstiger gewesen, aber hinterher ist man ja immer schlauer.


Weil bis zum Beginn der Parade noch genügend Zeit war, ließen wir zwei Platzhalter zurück und gingen auf die andere Seite des Ō-gawa, um uns an den zahlreichen Imbißständen mit Eßbarem zu versorgen. Wie man sieht, war auch schon sehr viel Volk unterwegs. Am selben Ort war ich übrigens vor ein paar Monaten mit Anita zur Kirschblütenschau, und ich meine mich zu erinnern, daß es an dem Tag damals nicht ganz so voll war. Und vor allem nicht so wahnsinnig heiß.


Trotz der Hitze haben wir kräftig was gegessen - jedenfalls mehr als dieser junge Mann hier. ;-)


Pünktlich um 18:00 begann die Bootsparade mit vielen kleineren und größeren Booten. Vorher waren schon zwei kleinere Boote unter der Brücke hin- und hergeflitzt. Von zahlreichen Ruderern angetrieben, während ein paar Trommler für den nötigen Krach gesorgt haben.


Plötzlich wurde auch ein heiliges Feuer entzündet - zu diesem Zeitpunkt bemerkten wir erstmals, daß wir uns besser auf der anderen Seite der Brücke aufgestellt hätten.


Na ja, ändern konnten wir es nicht mehr, denn in der Mitte der Fahrbahn war eine Absperrung, über die zumindest ich in meinem Yukata nicht herüberkommen wäre, und außerdem war die Fahrbahn da auch nicht so ganz durchgängig. Machte aber nichts, denn das Feuer hat vor allem jede Menge Qualm entwickelt, und den konnten wir auch von unserer Seite aus problemlos sehen.


Unterdessen ging die Bootsparade munter weiter und die größeren Boote kamen vorbei. Diese wurden mit Motoren angetrieben. Ellie wunderte sich darüber, was die vielen Männer an Bord machten. Ich fand die einzig logische Erklärung: das sind die Männer, die vor Erfindung des Motors die Schiffe gerudert hätten und jetzt aus Traditionsgründen weiterhin mitfahren, aber quasi arbeitslos sind. ;-p


Hatte ich schon erwähnt, daß viele Menschen unterwegs waren? Es wurden immer mehr! Eine gewaltige Menschenmasse schob sich in einem nicht endenwollenden Strom von der U-Bahnstation kommend an uns vorbei. Es leben definitiv zu viele Menschen in diesem Land!! Aber natürlich wäre das hier nicht Japan, wenn es dabei nicht zivilisiert zugegangen wäre. Zumindest in meiner nähreren Umgebung gab es keine Schnapsleichen, Pöbeleien oder gar Prügeleien. Die Atmosphäre war großartig. Alle waren trotz der Hitze gut gelaunt und entspannt.


Um 20:00 begann das Feuerwerk. Hinter der Flußbiegung, hinter dem Hochhaus links im Bild. Zuerst konnten wir nur die Spiegelung in der Glasfassade eines anderen Hochhauses auf der rechten Flußseite sehen. Etwas später wurden die Knaller auch etwas höher in den Abendhimmel geschossen, und wir sahen dann etwas mehr. Aber Fotos habe ich nicht. Pech gehabt.


Währendessen fuhr ein schwimmender Schrein den Fluß entlang. Der eine oder die andere meiner Leser erkennt das Motiv möglicherweise von dem Bild auf einer Postkarte, die ich in den letzten Tagen gleich mehrmals verschickt habe.

Wir beschlossen dann, uns weiter in Richtung U-Bahnstation zu bewegen, um vielleicht doch etwas mehr vom Feuerwerk zu sehen. Außerdem hatten wir die Idee, daß sich dort etwas weniger Menschen befinden würden, da ja alle in die entgegengesetzte Richtung zogen. Beides erwies sich als Irrtum. So schoben wir uns in Gegenrichtung durch die Menschenmasse, während die zahlreichen Ordner uns durch ihre Megaphone zuriefen, wir sollten bitte in die andere Richtung gehen (um am anderen Ende der Brücke auf die Gegenfahrbahn zu wechseln und auf diesem Weg dann zur U-Bahn zu gelangen). Manchmal ist es doch von Vorteil, Ausländer in diesem Land zu sein: wir haben einfach nicht verstanden, was die Männer von uns wollten ... *g*

Samstag, Juli 29, 2006

Präpositionen III

"Wie war das Wochenende?"
"Schön. Ich war im Fußball."

Das muß eine sehr interessante Erfahrung gewesen sein ...

Freitag, Juli 28, 2006

Yukataparade

Am Dienstag war es soweit: Ōsakas Sommerfest Tenjin Matsuri, eines der drei größten Feste in Japan, erreichte mit der Bootsparade auf dem Ō-gawa und dem anschließenden Feuerwerk seinen Höhepunkt. Es war schönes Wetter (soll heißen: es hat nicht geregnet, denn schön war diese Hitze weiß Gott nicht!), und somit hatte ich keine Ausrede, meinen Yukata nicht in der Öffentlichkeit anzuziehen. Ich werde ja sonst schon immer von irgendwem angestarrt, da außer mir keine weiteren Ausländer in Ōsaka leben (*beißende Ironie*), aber jetzt war ich plötzlich eine Gaijin in Yukata mit selbstgeknotetem Obi. Doch schon auf dem Weg zur U-Bahnstation, wo ich mich mit Ellie, Anita, ihrer Partnerin vom Sprachaustausch und einigen ihrer Arbeitskollegen aus der Branch in Kyōto traf, hatte ich die perfekte Strategie entwickelt - einfach nicht hinsehen!
In der U-Bahnstation kam dann plötzlich eine Frau auf mich zugeschossen: "sugoi!!!"
*strahl*


Diese Holzsandalen sind übrigens höllisch unbequem, da hart. Ich hatte glücklicherweise für alle Fälle meine westlichen Sommerschuhe in der Tasche mitgenommen. Eine weise Entscheidung. Mir tun die Füße immer noch weh.

Am Ort des Geschehens angekommen, wurde ich immer noch angestarrt, aber das machte mir nichts mehr aus, denn ich war beileibe nicht die einzige Person, die einen Yukata trug. Auch nicht die einzige Ausländerin. Zu diesem Fest hatten sich sehr viele herausgeputzt und ihren schönsten Yukata angezogen, und auch wenn die überwiegende Mehrheit in westlicher Kleidung herumlief, gab es doch jede Menge Yukatas zu bewundern - in allen möglichen Farben und Mustern.


Gut, bei den Mustern ist der Variantenreichtum dann doch nicht sooo ausgeprägt, die meisten hatten irgendwas mit Blüten drauf.


Aber warum diese Mädels dazu noch diese Dinger auf den Rücken geschnallt hatten, verstehe ich immer noch nicht. Erstens sieht das schon mit "normaler" Kleidung bescheuert aus, und dann werden so doch die schönen Schleifen verdeckt!


Diese drei Grazien zogen meine Aufmerksamkeit aus zwei Gründen auf sich: wegen ihrer schönen Yukatas (auch oder gerade weil ich diese Farben einfach nicht tragen kann), und vor allem wegen ihrer Perücken. Das kann mir keiner erzählen, daß die Haare echt sind. Irre. Ich habe schon unter dem Obi wie wahnsinnig geschwitzt (und jetzt überlege ich, ob ich den Yukata selber in die Waschmaschine packe oder ihn in die Reinigung gebe - damit ich ihn nicht bügeln muß).


Wie man hier sehr schön sehen kann, sind diese Obis ungeheuer praktisch: man kann zum Beispiel seinen Fächer hineinstecken, wenn man ihn gerade nicht braucht bzw. beide Hände frei haben möchte. Die kleinen, zusammenfaltbaren Fächer steckt man sich einfach vorne unter den Obi (so wie bei mir zu sehen), die großen kommen nach hinten. Von denen habe ich beim Tenjin Matsuri auch zwei ergattert. Ein Werbegeschenk von irgendeinem Einkaufszenter. Anita hat unterwegs noch einen Mann mit einem NOVA-Fächer gefunden und ihn überredet, mit ihr zu tauschen. Sie meinte, der Typ sei reichlich geschockt gewesen, als plötzlich diese Ausländerin einfach so auf ihn zu kam und partout seinen Fächer haben wollte. *lol*


Obwohl vor allem (junge) Frauen im Yukata zum Fest gekommen sind, hatten sich doch auch einige Männer in traditionelle Kleidung gehüllt. Man sieht es schon: die sind weniger farbenfroh, der Obi hat einen wesentlich einfacher aussehenden Knoten und sitzt auch etwas tiefer als der bei den Frauen. Den Ausbeulungen auf der Brust nach zu schließen (hier auf dem Foto jetzt nicht zu sehen, glaubt's mir einfach!), können Männer in ihren Yukatas auch ein paar Sachen "verstecken". Frauen brauchen dazu eine Tasche. Obwohl - in den Ärmeln könnte man auch ein paar Kleinigkeiten verstauen ...


Als Ellie und ich etwas eher nach Hause gingen (Ellie hatte Mittwoch ihre letzte Frühschicht und ich darf Mittwochs ja auch früher arbeiten, außerdem hatte ich nur noch den Wunsch, meine Füße hochzulegen), löste sich im Gewühl kurz vor dem Eingang zur U-Bahn plötzlich mein Obi. Panik! Nicht, daß es da was zu sehen gegeben hätte, unter dem Obi war der Yukata sicher und fest mit zwei Baumwollbändern verknotet, aber trotzdem! Ich hatte es auch gar nicht gemerkt, aber ein japanisches Pärchen machte mich auf das Malheur aufmerksam. Die Frau versuchte gleich, mir zu helfen, hatte aber keine Ahnung, wie. Glücklicherweise eilte mir eine junge Frau im Yukata zu Hilfe und zauberte mir mit wenigen geübten Handgriffen eine neue Schleife auf den Rücken. Überflüssig zu sagen, daß die wesentlich besser aussah als die vorherige. Aber: die von mir geknotete hatte immerhin knapp fünf Stunden gehalten.

Sonntag, Juli 23, 2006

Papierkram, Teil 6

Abgesehen davon, daß ich mir diese Woche eine richtig schöne Parade angesehen und mir einen Yukata gekauft habe, galt es auch, einigen Papierkram zu erledigen.

Am Dienstag habe ich die Anmeldung zum diesjährigen Japanese Language Proficiency Test abgeschickt, der am 3. Dezember stattfinden wird. Eingetragen habe ich mich ganz bescheiden für Level 4, den untersten Anfängerlevel. Nachdem ich mir in einer Broschüre mit den Testaufgaben vom letzten Jahr mal den Test für Level 3 angesehen habe, bin ich zu der Entscheidung gekommen, daß es besser ist, Level 4 mit Bravour zu bestehen als auf Level 3 mit Pauken und Trompeten durchzufallen. Alles was ich will, ist eine offiziell aussehende Bescheinigung darüber, daß ich hier auch tatsächlich etwas Japanisch gelernt und mich nicht nur auf Englisch durchgewurstelt habe, so wie viele das tatsächlich machen.

Der eine oder andere wird sich schon gedacht haben "Dritter Dezember? Moment mal!" Ja, richtig gelesen. Am Mittwoch habe ich auf der Arbeit eine "General Request" mit der Bitte um Vertragsverlängerung eingereicht. Ich möchte zumindest den Herbst noch einmal mitmachen, und der hat letztes Jahr ja gerade nach meiner Ankunft angefangen. Kehrte ich Mitte Oktober schon wieder nach Deutschland zurück, ich würde die beste Jahreszeit in Japan verpassen. Und dann möchte ich, wie gesagt, auch diesen Test machen. Und Weihnachten nach Hause kommen.

Samstag, Juli 22, 2006

Falsch abgelesen

"Wie gut ist Ihr Deutsch?"
"Ich kann mich verstellen."

Wow.

Freitag, Juli 21, 2006

Übung macht den Meister

Nachdem der Obi am Ende meiner gestrigen "Trockenübung" doch eine recht erfreuliche Ähnlichkeit mit der Vorlage aufwies, habe ich es heute erneut und wieder mit Yukata probiert. Erfolgreich.


So sieht das also von vorne aus ...


... und so von hinten. Perfekt ist es noch nicht, aber es wird von Mal zu Mal besser, und falls es am Dienstag nicht so regnet wie gestern, dann ziehe ich den Yukata zum Sommerfest an.

Dienstag, Juli 18, 2006

Geschafft!

YES! Ich hatte heute ein Erfolgserlebnis: auf dem Weg von der Japanischstunde und einigen Einkäufen in Namba zurück nach Shin Ōsaka stieg ich in Umeda aus, um den dortigen Buchladen aufzusuchen, und ich habe mich dabei NICHT VERLAUFEN!!

Die Bedeutung dieser Mitteilung wird nur nachempfinden können, wer jemals seinen Fuß in Ōsakas Umeda Station gesetzt hat. Das letzte Mal, als ich von Namba kommend in Umeda Halt machte, um zum Buchladen zu gehen, habe ich prompt den falschen Ausgang von der Midosujilinie erwischt. Geschlagene 45 Minuten bin ich in dieser ver***en Station rumgerannt, bis ich fluchend wieder in die Midosuji gegangen bin (die Monatskarte macht's möglich) und von dort durch den einzig richtigen Ausgang endlich mein Ziel erreichte. Und alles nur, weil ich aus dem aus der anderen Richtung kommenden Zug gestiegen war. Ich hasse Umeda. Aber heute ist ja alles gutgegangen.

Ob mir mit dem zu meinem neuen Yukata gekauften Obi demnächst ein ähnlicher Erfolg beschieden sein wird, kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. Die ersten zwei Versuche heute abend, das Ding mit Hilfe der (japanischen) Beschreibung, die man mir im Laden in die Hand gedrückt hatte, und den aus dem Internet gesuchten (englischen) Erläuterungen in eine Form zu bringen, die der auf den Fotos und Zeichnungen zumindest annähernd ähnlich sieht, verliefen erfolglos. Im Geschäft hat mir die Verkäuferin das extra noch mal gezeigt, und es sah auch nicht sooo schwer aus, aber dann allein zu Haus ...

Falls ich diese Technik jemals begreifen sollte, gibt es auch ein Foto von mir in meinem schönen Yukata. Bis dahin müßt Ihr Euch mit einer bloßen Beschreibung begnügen: er ist blau (Überraschung!) mit weißen und hellblauen Libellen drauf. Der Obi, den ich mir dazu ausgesucht habe, ist gelb. Sieht klasse aus. Dazu gab es auch ein Paar Holzsandalen, in denen ich nicht laufen kann. Aber das können die Japanerinnen auch nicht. *g*

Montag, Juli 17, 2006

Gion Matsuri

Heute ist in Japan Feiertag, der Tag des Meeres, der immer am dritten Montag im Juli begangen wird. Dieses Jahr fällt er mit einem anderen Feiertag zusammen: dem Höhepunkt von Kyōtos Gion Matsuri. Dieses Fest wurde das erste Mal im 9. Jahrhundert abgehalten. Weitere Infos dazu gibt es hier.

Gion Matsuri dauert den ganzen Monat lang, aber immer am 17. Juli findet eine große Parade statt. Da ich heute frei habe, wollte ich die Parade auf gar keinen Fall verpassen, und so bin ich heute vormittag gemeinsam mit Ellie nach Kyōto aufgebrochen. Weil ich auf meinen letzten Ausflügen in der Hitze trotz reichlicher Getränkezufuhr immer Kopfschmerzen bekommen hatte, habe ich letzte Woche ein schickes Hütchen gekauft und heute mitgenommen.


Prompt hätte ich es gar nicht gebraucht, denn heute hat sich die Regenzeit mit heftigstem Dauerregen zurückgemeldet. In einigen Teilen Japans hat es sogar Überschwemmungen gegeben, doch in Kyōto war es einfach nur fürchterlich naß.


Dennoch war das schlechte Wetter ein Glücksfall: es war nicht so heiß wie in den letzten Tagen, und schwül war es auch nicht. Es war warm, aber erträglich, und atmen konnte man auch. Es hat nur stark geregnet, was anscheinend einige Leute dazu bewogen hat, sich die Parade in diesem Jahr nicht anzusehen. Jedenfalls fanden wir, sobald wir aus der Station ans Tageslicht getreten waren, sofort zwei Stehplätze in der ersten Reihe. Mit perfekter Sicht auf das Geschehen.


Und im Gegensatz zu den Leuten, die sich auf der anderen Straßenseite einen Sitzplatz gesichert hatten (auf der Homepage der Touristeninformation hatte ich vorgestern was von - ausverkauften - Karten für Sitzplätze gelesen), befanden wir uns auf einem überdachten Bürgersteig nahezu vollständig im Trockenen. Nur von der Straße her wurden wir ein ganz kleines bißchen naß. Nicht der Rede wert. Die Akteure auf der Straße dagegen waren schon klitschnaß, als wir ankamen. Viele hatten allerdings Regenschirme dabei oder einen Plastikregenmantel über ihre Kostüme gezogen. Aber alle hatten sie nasse Füße.

Als wir gegen halb elf ankamen, standen die Wagen schon auf der Straße, aber zunächst einmal geschah nichts. Vielleicht hatte die eigentliche Parade noch gar nicht angefangen (die Festwagen konnte Anita schon gestern abend auf der Straße aufgestellt bewundern), vielleicht mußte sie eine Zwangspause einlegen. Ich weiß es nicht. Doch nach einer Weile setzte sich der Zug langsam in Bewegung.



Um die großen Festwagen (genannt "hoko" - Lanzen, weil sie riesigen Hellebarden nachgebildet sind) in Bewegung zu setzen, braucht es jede Menge Muskelkraft. Viele Männer in Einheitstracht (die aber von Wagen zu Wagen unterschiedlich ist) ziehen sie an zwei dicken, langen Seilen die Straße entlang. Bei den kleinen Wagen braucht man wesentlich weniger.


Alle Festwagen, ob groß oder klein, sind prächtig geschmückt. Das war heute leider nicht so gut zu erkennen, da alles mit großen, aber immerhin transparenten Plastikplanen vor der Nässe geschützt werden mußte.


Im Obergeschoß dieser Festwagen sitzen die Musiker: vorne wird getrommelt, an den Seiten geflötet. Für mich wäre das nichts. Sehr sicher sieht das nicht aus, und die Fahrt ist manchmal schon etwas holperig. Ein Wunder, daß niemand runtergefallen ist!


Diese beiden haben die wichtigste Aufgabe: sie geben den Männern an den Seilen die Kommandos zum Starten und zum Halten. Denn die Wagen werden immer ca. hundert Meter weit gezogen, und dann ist erst einmal Pause. Dann dürfen sich alle kurz erholen.
Das Startkommando ist kein schnödes "Auf die Plätze, fertig, los!", sondern verlangt den beiden Herren einiges an Eleganz und Geschick ab. Da werden die Fächer synchron hin- und hergeschwenkt, während aus voller Kehle die Startformel gebrüllt wird, schließlich lehnen sie sich so weit nach vorne, wie es ihnen ihr Gleichgewichtssinn und die Gardinenschnüre erlauben, und strecken den Arm mit dem Fächer geradeaus. Während der Fahrt werden die Fächer immer elegant hin- und hergewendet. Ebenfalls synchron, versteht sich.


In der Zwischenzeit sind oben auf dem Dach vier Männer damit beschäftigt, die meterhohe dünne Spitze des Festwagens zu stabilisieren (und dabei nicht selbst herunterzufallen). Außerdem laufen neben jedem großen und kleinen Wagen jede Menge Männer nebenher, die anscheinend keine besondere Aufgabe haben, sondern nur für ein bißchen Masse zu sorgen.


Bei jedem Halt sichern vorne zwei hölzerne Bremsklötze den Festwagen ab. Während der Fahrt werden die Klötze an Seilen direkt vor den riesigen Vorderrädern her gezogen. So wird verhindert, daß der Wagen zu schnell wird. Beim Abbremsen hält auf jeder Seite ein kräftiger Mann einen vorne dünnen Balken vor das Rad. Das sorgt vermutlich für eine weitere Verlangsamung der Fahrt. Und für ein unheimlich klingendes Rumpeln.


So sieht das ganze dann von hinten aus. Sehr schön zu erkennen ist die hohe Spitze, die wie eine Lanze oder Hellebarde aussieht.


Diese beiden gehörten zum Begleitzug eines der kleineren Wagen. Der Mann kam plötzlich auf uns zu und fragte "Where are you from?" Dann zog er für Ellie und mich jeweils ein kleines "Geschenk" aus seiner Plastiktüte. Ein aus getrocknetem Schilf (?) hergestellter Fächer o.ä. (erinnert in seiner Form entfernt an die russischen Reisigbesen). Ist länger als mein Unterarm. Ein Glücksbringer, den wir an die Eingangstür hängen sollen. Davon wurden heute ziemlich viele unters Volk gebracht, aber nicht jeder hat eins abbgekommen. Da fühlten wir uns natürlich besonders geschmeichelt. Wir haben uns so sehr darüber gefreut, daß wir vergessen haben, ihn zu fragen, ob das außen oder innen angebracht werden soll.

Kurz nach zwölf war der letzte große Wagen an uns vorbeigefahren und dahinter wurde die Straße sofort für den Verkehr wieder freigegeben. Wie auf Kommando stürmten die Zuschauer auf die jeweils andere Straßenseite. Wir sind erst einmal etwas essen gegangen und anschließend nach Ōsaka zurückgefahren.

Nächste Woche findet das große Sommerfest in Ōsaka statt. Montag und Dienstag. Ich habe richtig Glück mit meinem Wochenende.

Sonntag, Juli 16, 2006

Zeugenbefragung II

Vor einiger Zeit habe ich mal von einer "Zeugenbefragung" berichtet. Zitatemäßig war das eine ergiebige Stunde.

"Welche Richtung ist der Dieb gefahren, äh, geflogen?"

Rennauto

Hach, da schlägt doch jedes Jungenherz höher!


Was kann es schöneres geben, als im eigenen Flitzer die Straße entlang zu brettern? Noch dazu, wenn es sich um ein einheimisches Modell und keinen billigen Importschrott handelt.

Donnerstag, Juli 13, 2006

Stöckchenspiele

Ich wollte dieses Ereignis ja eigentlich nach Kräften ignorieren, aber da Sabine mich darum bittet, mache ich bei diesem Fragebogen halt auch mit.

Dein schönstes WM-Erlebnis. Es gibt sogar zwei:
1.) Am Tag nach dem Ausscheiden der hiesigen Mannschaft waren sämtliche WM-Devotionalien aus dem Familiy Mart verschwunden. Manche mochten das mit "schlechte Verlierer!" kommentieren, ich war froh, daß ich nach so vielen Monaten Goleo nicht mehr sehen mußte.
2.) Eines Abends nach der Arbeit im Lift: fast alle steigen schon im Erdgeschoß aus, zurück bleiben eine (französische?) Mitarbeiterin von LS und ich. "You're German, right?" "Yes." "Good luck." "Thank you! ... Uhm, why?.." "You play tonight, don't you?" Ah, ja.

Das beste Spiel. Ich habe eigentlich nur eines halbwegs verfolgt, während ich mit Claudia, deren Freund und Anita im Wohnzimmer saß und wir uns über den Tag, Gott und die Welt und auch ein bißchen Fußball unterhielten. Und davon weiß ich auch nur noch, daß es in der Vorrunde war und England gespielt hat. Gegen wen, habe ich vergessen. Es war erfreulich früh vorbei, aber das lag lediglich daran, daß ich nicht mitbekommen hatte, daß schon die zweite Halbzeit lief.

Dein Lieblingslied. Da kenne ich nur eins: "Wir sagen: Tschüß, macht's gut, Ihr Schweden!" zur Melodie von "Thank You For The Music" von ABBA.

Das schönste Trikot. Ohne genau hingesehen zu haben: wahrscheinlich das samuraiblaue japanische. Ich mag Blau.

Weltmeister der Herzen. Україна!!

Das beste Bier während der WM. Ich mag kein Bier. Aber das Grüntee-Eis hat unverändert gut geschmeckt. *g*

Lieblingsspieler. Ich übergebe an die (geschätzte) Mehrheit meiner weiblichen Schüler: Oliver Kahn ("Ich mag Oliver Kahn. Er hat ein schönes Gesicht.").

Die beste Szene im Fernsehen. Nicht im Fernsehen, aber Fotos auf Claudias Computer vom Abend des Spiels Australien gegen Japan. Sie, ihr Freund und einige andere vorwiegend australische Nova-Lehrer haben sich das Spiel in einer Bar gemeinsam mit japanischen LS-Leuten angesehen. Das schönste Foto war das Gesicht ihres Freundes kurz nach dem australischen Siegestreffer.

Der schlimmste Moment im Fernsehen. Eine Werbung mit Ronaldinho, dessen Gesicht plötzlich in Großaufnahme über die Mattscheibe flimmert. Drei junge Frauen von drei Kontinenten kreischen entsetzt auf: "Doesn't he look like a horse?!"

Hat es dir gefallen? Mir gefällt, daß es jetzt wieder vorbei ist.

Und jetzt? Wirst Du Dich mehr für Fußball interessieren? Nö.

Und wem soll ich jetzt das Stöckchen zuwerfen? Andreas, Julia und Patrick. Falls sie Zeit und Lust dazu haben.

Mittwoch, Juli 12, 2006

Promiklatsch

Was wir schon immer über Koizumi wissen wollten:

"Er hat grüne Haare und kurze Augen."

Dienstag, Juli 11, 2006

Frischluft im Hochnebel

Schon wieder bin ich mit meinem Tagebuch gewaltig im Rückstand. Schon letzten Montag war ich mit Ellie auf Hiei-zan, und einen anständigen Bericht dazu gibt es immer noch nicht. Denn man tau.

Hiei-zan ist das Gegenstück zu Kōya-san: ein heiliger Berg, auf dem sich das Zentrum einer weiteren buddhistischen Sekte (Tendai) befindet. Von Kyōto aus ist der Berg schnell zu erreichen, und bei dem gegenwärtigen Wetter in diesem Land (schwül!) ist es immer eine gute Idee, sich zumindest für ein paar Stunden auf einem Berg aufzuhalten - zumal wenn man bequem mit Seilbahn rauf kommt.
Zusätzlich verspricht mein Reiseführer von dort oben eine wunderbare Aussicht in alle Richtungen, zum Beispiel auf den Biwa-ko, den größten See Japans und drittältesten der Welt. Wenn das keine Rekorde sind!

Nach einem kurzen Fußmarsch von der Seilbahnstation waren wir auch schon an der ersten Aussichtsplattform mit Blick auf den Biwa-ko angelangt:


Die aktuelle Aussicht war leider nicht ganz so berauschend. Hiei-zan hatte sich in eine dicke Wolke gehüllt, und wo hinter mir eigentlich der See und ein paar mehr Berge hätten sichtbar sein sollen, war nichts als Nebel. Immerhin war es da oben tatsächlich angenehm frisch, wenn auch nicht kalt. Das Jäckchen konnte in der Tasche bleiben.


Die Tempelanlagen waren von der Seilbahnstrecke aus, die wir benutzt hatten, ein ganzes Stück entfernt, und so gingen wir erst einmal zur Blumenschau ins Gartenmuseum.


Nicht die schlechteste Entscheidung, denn das Museum wurde von französischen Gartendesignern (oder ist das deutsche Wort dafür doch Landschaftsarchitekt?) gestaltet. Die Blumen und Pflanzen sind die gleichen, die die Impressionisten zu einigen ihrer schönsten Gemälde inspiriert haben.


Daher wurden überall im Gartenmuseum wind- und wetterfeste Reproduktionen der berühmtesten impressionistischen Gemälde aufgestellt. Schöne Idee!


Ein Seerosenteich durfte natürlich nicht fehlen. Ganz stilecht mit elegant geschwungener Brücke. Monet wäre begeistert gewesen, sowohl von dem Nebel als auch von dem Teich. Als kleines Zugeständnis an die japanische Flora wuchs an einer Ecke auch ein bißchen Bambus, und die Fauna war eh durch und durch japanisch. Die Monsterbienen, beispielsweise. Oder die Frösche, die inbrünstig im Seerosenteich quakten, aber leider unsichtbar blieben, die sind garantiert nicht extra aus Frankreich importiert worden. ;-)


Nach dem Seerosenteich bewunderten wir die zweite große Attraktion: den Rosengarten mit zahlreichen Züchtungen aus aller Welt. Ein paar deutsche und amerikanische Rosen waren auch dabei. Und die oben abgebildeten, bei denen ich mir nicht so sicher bin, ob das noch Rosen sind. Die Entscheidung bleibt der Expertin überlassen. Auf alle Fälle sind sie wunderschön und stammen aus Lateinamerika.

Dann setzte ein gewaltiger Platzregen ein, und wir begaben uns schnell ins Museumscafé zum Mittagessen, wo wir gemütlich im Trockenen saßen, bis der Regen wieder aufhörte.
Wie das im Leben oft so spielt, folgte auf den Regen auch alsbald der Sonnenschein.


Und siehe da: sogar die Wolken verzogen sich und gaben den Blick auf Biwa-ko frei. すごい!*


Nach fünf Minuten hatten diese es sich aber anders überlegt und kamen in alter Stärke und Dichte zurück. Wir zogen dann zur Bushaltestelle weiter.


Nur um festzustellen, daß der Bus zum Enryaku-ji nur einmal pro Stunde fährt und wir ihn gerade um buchstäblich eine Minute verpaßt hatten.


Blieb nur der 30minütige Fußweg. Aber angesichts des dichten Nebels und ohne Karte hatten wir keine Lust, auf einem schmalen Trampelpfad durch die Pampa zu marschieren, und so kehrten wir zur Seilbahnstation zurück und fuhren wieder nach Hause. Die Tempel sehen wir uns dann vielleicht ein anderes Mal an - bei klarem Himmel. Und dann nehmen wir auch die andere Seilbahn, die näher am Enryaku-ji ankommt.

___
* sugoi!

Montag, Juli 10, 2006

Weckruf

Heute abend um 22:00 MESZ sind alle meine Leser aufgefordert, sich kurz Richtung Osten zu wenden und gaaanz laut "Ute, aufstehen!" zu brüllen. Dann ist es hier genau 5:00 nachts und ich muß aufstehen. :-(((
Der Grund: ich muß meinen Teil des Shift Swaps ableisten und morgen die Frühschicht arbeiten (7:30 bis 14:55). Argh! Da ich hauptsächlich Spätschicht arbeite, entspricht das überhaupt nicht meinem Tagesrhythmus, normalerweise bin ich froh, wenn ich es um 7 schon aus dem Bett schaffe, aber was soll ich machen? Die Kollegin brauchte dringend einen Swap. Das deutsche Team ist nun mal recht klein, da ist es schwer genug, Tauschpartner zu finden. Außerdem habe ich im Gegenzug u.a. wegen dieses Shift Swaps neulich ein langes Wochenende gehabt und konnte mit Angelica nach Kōya-san fahren. Aber trotzdem ... *Riesenseufzer*
Heute habe ich mich zur Vorbereitung unausgeschlafen um 7 aus dem Bett gequält in der Hoffnung, dann heute abend, wenn ich früh ins Bett gehe, auch früh einzuschlafen. Damit ich den morgigen Tag halbwegs ausgeruht überlebe. Und damit ich bloß nicht verschlafe. Also bitte: weckt mich auf! Nur für den Fall, daß ich meinen Wecker überhöre. Oder mein deutsches Handy. Oder mein japanisches.

Colourful metaphors


"JESUS CHRIST, HOLY FUCKING!" rief Ellie aus, als ich ihr die riesigen Bienen zeigte, die auf Hiei-zan herumschwirrten, "these are the biggest bumblebees I've ever seen!"
Zugegeben, ich war ja auch etwas erschrocken, als die Monsterbiene plötzlich an mir vorbeiflog, aber Ellies Ausruf hatte auf mein psychisches Gleichgewicht viel schwerwiegendere Auswirkungen. Fünf Minuten später hatte ich mich immer noch nicht beruhigt. Ellie dagegen schien etwas irritiert zu sein, daß ich auf ihren Schreck mit langanhaltendem Gelächter reagierte ... ;-)

Freitag, Juli 07, 2006

カタカナ

Katakana (カタカナ) ist die zweite der beiden japanischen Silbenschriften, die hauptsächlich dafür verwendet wird, um fremdsprachige Begriffe und Wörter wiederzugeben. Dabei werden diese japanisiert und der japanischen Aussprache angepaßt. Ich mag Katakana nicht besonders, weil ich - v.a. auf Speisekarten - immer erst lange raten muß, welches Wort sich hinter den Zeichen verbergen könnte.
Lustig wird es, wenn die Wörter aus dem Katakana "rückübersetzt" werden, so wie hier:


Sowas passiert hier ja öfter mal. Anders herum ist es aber auch immer nett, wenn mal wieder jemand partout Englisch benutzen muß, um besonders cool oder modern zu erscheinen. Dieser Ladenbesitzer in Kōya-san beispielsweise:


Für diejenigen, die des Japanischen nicht mächtig sind (*zwinker*) hier das ganze in Rōmaji: "furawaashoppu". Köstlich. Nur der БЛЮМЕНШОП ("bljumenshop"), den eine Dozentin vor einigen Jahren in Moskau entdeckte hatte, ist noch besser.

Mittwoch, Juli 05, 2006

Listening Task, oder: Fressen und gefressen werden, Teil 3

In der Mitte einer Stunde steht eine kleine Höraufgabe auf dem Programm. Wir spielen einen kleinen Dialog ab und geben den Schülern vorher jeweils eine Frage dazu, die sie anschließend idealerweise beantworten sollen. Auf dem untersten Anfängerlevel ist es dabei nicht so wichtig, daß sie in ganzen und grammatikalisch korrekten Sätzen antworten. Hauptsache ist, daß sie die Hauptinformationen heraushören können.

Manche sind aber ehrgeizig und versuchen löblicherweise trotzdem, in einem ganzen Satz zu antworten. Es ist gar nicht so einfach, den Bogen von der 1. Person Singular (wie im Dialog gehört) zur 3. Person zu schlagen, wenn man letztere noch gar nicht kennengelernt hat.

Hörtext der Lektion zum Thema "Sagen, was man gerne ißt und trinkt". Ein Mann und eine Frau unterhalten sich in drei Sätzen über ihr Lieblingsessen. Frage an Schüler A: "Was ißt die Frau gerne?"

Ahnt schon jemand, was dann kam? Richtig geraten:

"Ich esse ... die Frau ... gerne ... Wurst."

Dienstag, Juli 04, 2006

Von Kōya-san nach Ōsaka

An unserem ersten Tag in Kōya-san war schönes Wetter, am zweiten Tag begann es zu regnen. Und zwar pünktlich um fünf nach neun, als wir den shukubō verließen, um die letzten paar Besichtigungen zu machen.
Das machte aber nichts, denn wir hatten uns für diesen Tag die Innenbesichtigungen aufgehoben. Anfangs war es auch lediglich ein leichter Nieselregen, und gut beschirmt waren wir außerdem.


Aber während wir uns den Kongōbuji von innen ansahen, den Hauptsitz der Shingon-Sekte, wurde der Regen immer stärker. Wir saßen gerade in der riesigen Besucherhalle, die erst vor wenigen Jahren erbaut wurde, wo wir Tee und dazu einen süßen Keks serviert bekamen, bewunderten die Malereien und die Aussicht auf den Felsgarten (Banryutei) und sahen nebenbei zu, wie immer mehr Wasser vom Himmel kam.


Ich muß sagen, das hat mir sehr gut gefallen. André hat recht: die japanische Architektur ist für Regenwetter gemacht. Naß ist der Felsgarten noch einmal so schön. Übrigens ist er der größte seiner Art in Japan (ohne Rekord geht hier ja nix), und das Design stellt zwei Drachen dar, die aus einem Meer von Wolken hervorkommen, um die Anlage zu beschützen.
Um ganz ehrlich zu sein: ich habe die Drachen nicht erkennen können. Aber schön war's trotzdem.

Danach haben wir uns noch ein paar Wandmalereien in einem kleineren Tempel angesehen, das Museum ausgelassen (uns hätten jede Menge unverständlicher religiöser Bilder ohne ausreichende Hintergrundinformationen erwartet, da hätten wir nicht viel von gehabt), ein leckeres Tonkatsu in einem kleinen Restaurant gegessen, unsere Koffer aus dem shukubō abgeholt und sind dann mit dem Bus zurück zu Koya-san Station gefahren.


Dort hieß es erst einmal eine gute halbe Stunde warten, denn der nächste Zug wäre ein Limited Express gewesen, für den wir kein Ticket hatten. Solange saßen wir dann im Wartesaal im zweiten Stock und genossen die Aussicht auf die Seilbahnstrecke und die Berge im Hintergrund. Und die Wolken, die durch die Täler waberten.


Dann war es soweit: mit der Seilbahn fuhren wir den Berg wieder runter. So steil ist der Berg, daß die Seilbahn der Steigung angepaßt ist - mit Treppenstufen drin. Rumlaufen während der Fahrt ist nicht möglich! Auch sonst ist das wegen der Neigung der Bahn keine wirklich sichere Angelegenheit. Man sucht sich einfach so schnell wie möglich einen Platz und steht erst wieder auf, wenn die Bahn am Ziel angekommen ist und man wieder aussteigen darf.
Die Fahrt ist reichlich unheimlich, sowohl auf der Fahrt nach oben, wenn man sich die Steigung ansieht ("da müssen wir hoch?!"), als auch auf der Rückfahrt. Ich sah nach vorne bzw. unten und dachte nur "O Gottogott!" Aber man gewöhnt sich an alles, und nach fünf Minuten konnte ich die Fahrt genießen. Ging ja auch in einem gemütlichen Tempo vorwärts.


Einen zusätzlichen Nervenkitzel gibt es auf halber Strecke, wenn der Gegenverkehr kommt. Die ganze Strecke ist nämlich eingleisig - mit Ausnahme eines kurzen Stücks in der Mitte, wo die beiden Bahnen aneinander vorbeifahren. Gestern bin ich mit einer anderen Seilbahn gleicher Bauart gefahren und habe da endlich das Prinzip kapiert: die beiden Bahnen sind durch ein sehr langes und sehr dickes Kabel miteinander verbunden (daher auch das englische Wort "cable car"), und die abwärts fahrende Bahn zieht die andere an ebendiesem Kabel den Berg hinauf. Faszinierend!

In Gokurakubashi, der unteren Seilbahnstation, wartete schon der normale Zug, der uns in gut anderthalb Stunden aus der Wildnis zurück in die Zivilistion brachte.


Die erste halbe Stunde aber ging es noch an ganz viel Wald, steilen Bergen und mehr oder weniger dichten Wolken vorbei.


Doch bald tauchten die ersten Häuser auf, es wurden immer mehr, und anstelle von Grün war nun Grau die vorherrschende Farbe. Nur die Reisfelder sorgten noch für den einen oder anderen grünen Tupfer. Bis auch sie immer mehr und immer höheren Häusern Platz machen mußten. Die häßlichste Stadt Japans hatte uns wieder.