Dienstag, Juli 04, 2006

Von Kōya-san nach Ōsaka

An unserem ersten Tag in Kōya-san war schönes Wetter, am zweiten Tag begann es zu regnen. Und zwar pünktlich um fünf nach neun, als wir den shukubō verließen, um die letzten paar Besichtigungen zu machen.
Das machte aber nichts, denn wir hatten uns für diesen Tag die Innenbesichtigungen aufgehoben. Anfangs war es auch lediglich ein leichter Nieselregen, und gut beschirmt waren wir außerdem.


Aber während wir uns den Kongōbuji von innen ansahen, den Hauptsitz der Shingon-Sekte, wurde der Regen immer stärker. Wir saßen gerade in der riesigen Besucherhalle, die erst vor wenigen Jahren erbaut wurde, wo wir Tee und dazu einen süßen Keks serviert bekamen, bewunderten die Malereien und die Aussicht auf den Felsgarten (Banryutei) und sahen nebenbei zu, wie immer mehr Wasser vom Himmel kam.


Ich muß sagen, das hat mir sehr gut gefallen. André hat recht: die japanische Architektur ist für Regenwetter gemacht. Naß ist der Felsgarten noch einmal so schön. Übrigens ist er der größte seiner Art in Japan (ohne Rekord geht hier ja nix), und das Design stellt zwei Drachen dar, die aus einem Meer von Wolken hervorkommen, um die Anlage zu beschützen.
Um ganz ehrlich zu sein: ich habe die Drachen nicht erkennen können. Aber schön war's trotzdem.

Danach haben wir uns noch ein paar Wandmalereien in einem kleineren Tempel angesehen, das Museum ausgelassen (uns hätten jede Menge unverständlicher religiöser Bilder ohne ausreichende Hintergrundinformationen erwartet, da hätten wir nicht viel von gehabt), ein leckeres Tonkatsu in einem kleinen Restaurant gegessen, unsere Koffer aus dem shukubō abgeholt und sind dann mit dem Bus zurück zu Koya-san Station gefahren.


Dort hieß es erst einmal eine gute halbe Stunde warten, denn der nächste Zug wäre ein Limited Express gewesen, für den wir kein Ticket hatten. Solange saßen wir dann im Wartesaal im zweiten Stock und genossen die Aussicht auf die Seilbahnstrecke und die Berge im Hintergrund. Und die Wolken, die durch die Täler waberten.


Dann war es soweit: mit der Seilbahn fuhren wir den Berg wieder runter. So steil ist der Berg, daß die Seilbahn der Steigung angepaßt ist - mit Treppenstufen drin. Rumlaufen während der Fahrt ist nicht möglich! Auch sonst ist das wegen der Neigung der Bahn keine wirklich sichere Angelegenheit. Man sucht sich einfach so schnell wie möglich einen Platz und steht erst wieder auf, wenn die Bahn am Ziel angekommen ist und man wieder aussteigen darf.
Die Fahrt ist reichlich unheimlich, sowohl auf der Fahrt nach oben, wenn man sich die Steigung ansieht ("da müssen wir hoch?!"), als auch auf der Rückfahrt. Ich sah nach vorne bzw. unten und dachte nur "O Gottogott!" Aber man gewöhnt sich an alles, und nach fünf Minuten konnte ich die Fahrt genießen. Ging ja auch in einem gemütlichen Tempo vorwärts.


Einen zusätzlichen Nervenkitzel gibt es auf halber Strecke, wenn der Gegenverkehr kommt. Die ganze Strecke ist nämlich eingleisig - mit Ausnahme eines kurzen Stücks in der Mitte, wo die beiden Bahnen aneinander vorbeifahren. Gestern bin ich mit einer anderen Seilbahn gleicher Bauart gefahren und habe da endlich das Prinzip kapiert: die beiden Bahnen sind durch ein sehr langes und sehr dickes Kabel miteinander verbunden (daher auch das englische Wort "cable car"), und die abwärts fahrende Bahn zieht die andere an ebendiesem Kabel den Berg hinauf. Faszinierend!

In Gokurakubashi, der unteren Seilbahnstation, wartete schon der normale Zug, der uns in gut anderthalb Stunden aus der Wildnis zurück in die Zivilistion brachte.


Die erste halbe Stunde aber ging es noch an ganz viel Wald, steilen Bergen und mehr oder weniger dichten Wolken vorbei.


Doch bald tauchten die ersten Häuser auf, es wurden immer mehr, und anstelle von Grün war nun Grau die vorherrschende Farbe. Nur die Reisfelder sorgten noch für den einen oder anderen grünen Tupfer. Bis auch sie immer mehr und immer höheren Häusern Platz machen mußten. Die häßlichste Stadt Japans hatte uns wieder.

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