Dienstag, November 28, 2006

Abschiedsessen in mehreren Gängen

Die gute Nachricht vorneweg: ich lebe noch, und abgesehen davon, daß ich pappsatt bin und vermutlich gleich platze, geht es mir gut. Trotz der Unmengen von Kugelfisch, die ich gegessen habe.

Heute mußte ich mich von Kayo verabschieden, und das wurde gut Japanisch mit viel Essen und etwas Sightseeing zwischen den Gängen gefeiert. Um elf Uhr trafen wir uns in Umeda und fuhren mit der Hanshin Line nach Kōbe zum Mittagessen in ein ziemlich schickes Restaurant. Kayo hat dort als Studentin gejobbt und bei der Gelegenheit auch ihren Mann kennengelernt.

Das Mittagessen kam sehr schick daher: überwölbt von hübsch dezent bedrucktem Papier und mit einem gelben Ginkgoblatt, das wirklich nur Deko war. Jedenfalls hat Kayo es beiseite gelegt, und da tat ich es ihr gleich.


Was gab es denn? Das vorne rechts auf dem Tellerchen war Fisch mit einer eingelegten kleinen Pfefferschote (war nur ein bißchen scharf), noch mal ein paar Fischhäppchen (unter dem Papier), auf verschiedene Arten eingelegten Rettich (es kamen noch ein paar Tellerchen mehr), Zuckerschoten, ein Schälchen Suppe und natürlich ein Schälchen Reis. Als Nachtisch gab es eine Art Mangocreme und Kakieis. (Angesichts der gewaltigen Portionen kam mir sofort ein Zitat von Loriot in den Sinn, aber das habe ich klugerweise für mich behalten. Hätte es eh nicht übersetzen können.)

Anschließend mußten wir die Kalorien wieder los werden und gingen daher erst zu einem sehr hübschen Schrein und fuhren dann mit der Seilbahn einen Berg hinauf. Von oben hat man eine schöne Aussicht über Kōbe, den Hafen und die Bucht. Außerdem gibt es dort einen "Kräuterpark", in dem man Küchen-, Heil- und sonstige Kräuter (Hauptsache, es riecht gut) in kleinen Beeten und einem Treibhaus wachsen sehen kann. Im dazugehörigen Restaurant gibt es mit diesen Kräutern gewürzte Gerichte (wenn es dort nichts zu essen gäbe, könnte man vermutlich auch keinen Japaner auf diesen Berg locken).

Hier haben wir aber nichts gegessen, sondern sind nach einer Weile wieder nach unten gefahren und dann mit der Bahn eine Station weiter zum Kōbe Harborland gefahren. Alle Bauwerke in diesem Gebiet sind nach dem großen Erdbeben vor inzwischen beinahe zwölf Jahren errichtet worden.

Im Harborland sind Kayo und ich zuerst in den "Sweets Harbor" gegangen, wo es jede Menge kleiner Cafés mit leckersten Törtchen gibt. Wir sind eine ganze Weile nur herumgegangen, haben die Törtchen bewundert und uns nicht entscheiden können.


Es endete dann bei (für japanische Verhältnisse riesigen) Erdbeerkuchen und Kaffee. Den man bei dem Preis auch ruhig in einer ordentlichen Tasse statt im Pappbecher hätte servieren können, aber das nur nebenbei.

Nach dieser Stärkung sind wir eine Weile im Harborland herumspaziert und haben einen Schaufensterbummel gemacht. Dann fuhren wir nach Umeda zurück, machten einen weiteren Einkaufsbummel in einem der großen Kaufhäuser, und weil dann immer noch massig Zeit bis zum Abendessen war, setzten wir uns auf einen Saft in ein Café und ruhten uns aus.

Das Restaurant, in dem wir uns mit Kayos Mann Hirofumi verabredet hatten, lag in einer ruhigen (für hiesige Verhältnisse) Seitenstraße. Kayo geht dort oft mit einer Freundin essen. Ein sehr gemütliches Restaurant, kann ich nicht anders sagen. Für die Gäste gibt es kleinere und größere Separées, so daß man wirklich unter sich ist.

Hirofumi kam ein paar Minuten später, und bis dahin hatten wir schon längst die Vorspeise serviert bekommen:


Haut vom Kugelfisch auf undefinierbarem Grünzeug und Rettich mit einer leckeren Senf-Essig-Sauce. Die mit ihrem Geschmack den Fisch komplett überdeckt hat. Von der Haut ist mir nur die etwas zähe Konsistenz in Erinnerung geblieben.


Auf diesem schicken Teller gab es den nächsten Gang: rohes Filet vom Kugelfisch mit Rettich und Frühlingszwiebel (rechts), das man erst mit Zitronensaft beträufelt und dann in die Sojasauce in dem kleinen Schälchen tunkt, und rohes Filet vom Kugelfisch mit Rettich und etwas Grünzeug in einer leckeren Sauce (links). Während wir noch beim Essen saßen, bekam jeder eine kleine Schale mit Kugelfischsuppe gereicht (Suppe mit ein, zwei gebratenen Flossen vom Kugelfisch darin).

Danach wurde es spannend. Die leeren Teller und Schälchen wurden weggeräumt, um in der Mitte des Tisches Platz für einen tragbaren Gasgrill zu schaffen, auf dem wir uns den Kugelfisch dann selbst braten konnten.


Links: gesalzener Kugelfisch. Rechts: in Zitronensaft eingelegter Kugelfisch. In der Mitte, gut in Alufolie verpackt: Kugelfisch, der mit Käse überbacken wurde. Hat alles gut geschmeckt, aber der mit Zitrone war am besten.

Mein Magen war danach schon gut gefüllt, daher stöhnte ich innerlich auf, als die Bedienung den Gasgrill entfernte, die in den Tisch integrierte Herdplatte anschmiß und einen Topf mit Wasser darauf stellte.


Danaben kam dann dieser Holzbottich mit noch mehr Kugelfisch, kleinen Pilzen (naja), etwas, das wie kleine Plastikkabel aussah, aber eßbar ist (Hirofumis elektronisches Wörterbuch übersetzte den japanischen Namen für mich mit Agar-Agar - züchten Biologen nicht irgendwas auf dem Zeugs?), und jede Menge Chinakohl. Das alles wurde von Kayo gekonnt in das inzwischen kochende Wasser geworfen. Nach einigen Minuten konnten wir uns das nun gegarte Essen in mit einer Soja-Essig-Sauce gefüllte Schale füllen und dann essen. Etwas sauer, aber lecker.

Als der Topf wieder fast leer war, rief Kayo die Bedienung herbei, die das Wasser mit etwas Salz würzte, eine große Portion gekochten Reis und verquirlte Eier hineingab und das ganze anschließend mit Zwiebeln und einem Gewürz (Pfeffer?) abschmeckte. Jeder bekam ein Schälchen voll, das oben mit etwas in dünne, kurze Streifen geschnittenem Nori (getrockneter Seetang) garniert wurde.

Jetzt ist es an der Zeit, die wichtigste Frage des Tages zu beantworten: wie schmeckt eigentlich Kugelfisch? Nicht schlecht, aber so besonders fand ich den Geschmack nun auch wieder nicht. Fisch halt. Das aufregende daran muß wohl wirklich der Nervenkitzel sein, weil die Innereien des Fisches, sofern man ihn frisch aus dem Meer statt aus dem Zuchtbecken holt, extrem giftig sind und das Essen tödlich enden kann, falls der Koch das Fleisch nicht sorgfältig genug abgeschnitten hat. Trotzdem war es ein leckeres und dazu noch stilvolles Essen.

Danach kam endlich der Nachtisch. Etwas großzügig auf dem großen Teller verteilt, aber ich konnte wirklich nicht mehr viel hinunterbekommen.

Dann war es Zeit für die obligatorischen Gruppenfotos.


Kayo, Hirofumi und ich.


Am Ausgang, da, wo wir uns die Schuhe wieder anzogen, vor dem Aquarium mit den Kugelfischen, die erst morgen gegessen werden.

An der U-Bahnstation in Umeda haben wir uns dann auf Wiedersehen gesagt. Es war ein trauriger Abschied. Kayo ist mir in den vergangenen Monaten eine gute Freundin geworden, und obwohl unsere jeweiligen Sprachkenntnisse noch recht rudimentär sind, haben wir so manche gute Unterhaltung gehabt. Ich werde sie gewaltig vermissen.

Montag, November 27, 2006

Sayōnara

Gestern war mein letzter Arbeitstag, also habe ich nach Ende meiner Schicht mein Headset und meine Karte (zum Öffnen der Türen) abgegeben und mein Fach leergeräumt. Gut, außer einem Paar Schuhen und dem nützlichen Buch "Tatsachen über Deutschland" (herausgegeben vom Auswärtigen Amt) war da auch nichts drin. Die Schuhe habe ich in eine Plastiktüte gepackt, und das Buch Andrea gegeben. Ich hatte es ursprünglich für alternative Stunden mit Schülern höherer Level benutzen wollen, aber meistens kam es dann in der Anfängerlektion zum Thema "Zugfahrkarten kaufen" zum Einsatz, wenn ich den Schülern die schönen Bilder der deutschen Städte, zu denen sie sich gerade Fahrkarten "gekauft" hatten, in die Kamera gehalten habe.

Dann habe ich mich von einigen Kollegen verabschiedet, mich noch einmal kurz umgesehen, und dann das Gebäude verlassen.


Bis zur letzten U-Bahn war noch eine knappe Stunde Zeit. Mit Angelica, Guillermo und Ted bin ich daher ins Spat's gegangen, in dem Cari im Sommer auch ihren Abschied gefeiert hatte. Lustig war's, aber natürlich auch ein bißchen wehmütig. Ein merkwürdiges Gefühl, wenn man sich von jemandem verabschiedet und weiß "den/die sehe ich vielleicht nie wieder".


Heute wurde - wie vor ein paar Stunden schon berichtet - mein Rucksack abgeholt, dann habe ich ein bißchen in meinem Zimmer rumgeräumt, Japanisch gelernt und gefaulenzt. Um kurz vor halb sechs machte ich mich dann auf den Weg zu meiner Sayōnara-"Party" auf dem deutschen Weihnachtsmarkt in Umeda.


Auf dem Weihnachtsmarkt war nicht viel los. Offensichtlich bin ich letztes Jahr an dem einzigen Tag da gewesen, an dem dort Hochbetrieb herrschte. Der Stimmung tat das jedoch keinen Abbruch. Hauptsächlich standen wir um einen der Tische vor einem der beiden Glühweinstände herum, zwischendurch verschwand immer mal jemand, um Nachschub (Bratwurst, Glühwein bzw. Kinderpunsch, gebrannte Mandeln oder Mutzen) zu holen. Es gab eine Runde um den Markt, während der die Deutschen (und die Schweizerin) den Kollegen aus dem englischen Team eine kurze Einführung in die Produktpalette eines durchschnittlichen deutschen Weihnachtsmarktes (am Beispiel der vorhandenen Stände) gaben.


Danach kehrten wir an "unseren" Tisch zurück, besorgten uns wieder etwas zu essen und zu trinken (von einer Bratwurst allein wird man ja auch nicht satt), und blieben für eine Weile dort stehen.


Die Stimmung war gut, und das lockte einen älteren Japaner an, der sich plötzlich zu uns an den Tisch drängte und gar nicht wieder gehen wollte. Japanische Männer sind schüchtern? Nicht, wenn sie schon kräftig Alkohol intus haben! Das war etwas peinlich, um es mal vorsichtig auszudrücken. Es dauerte eine Weile, bis wir den Typ wieder los wurden. Bzw. der Typ wurde uns los, denn wir verabschiedeten uns nach einer Weile einfach, marschierten los und stellten uns an den anderen Glühweinstand. Auf der anderen Seite des überdimensionierten Weihnachtsbaums.


Um 21 Uhr machten die Stände dann alle dicht, wir blieben noch auf einer der Bänke sitzen, lachten und erzählten, machten letzte Fotos - und dann wurde es schon Zeit, sich zu verabschieden.*



Morgen treffe ich mich um 11 Uhr mit Kayo. Sie will mir ihre Heimatstadt (Kōbe) zeigen, die ich bisher eher vernachlässigt habe, und abends gehen wir dann mit ihrem Mann zusammen essen. Ich hatte keine Idee und v.a. keine rechte Meinung, wohin wir gehen und was wir essen sollten. Daher hatte ich Kayo die Wahl überlassen. Das war vielleicht keine so gute Idee. Am Donnerstag erzählte sie mir strahlend, wir würden "fugu" essen gehen. Mit anderen Worten: Japanisches Roulette. Super.

___
* Auch wenn es wegen meiner Jacke so aussieht: es waren immer noch geschätzte 15 Grad. Aber den Übergangsmantel habe ich mit in den Rucksack gestopft. Würde in der anderen Reisetasche eh nur Platz wegnehmen.

Reisevorbereitungen

Meine Zeit in Japan neigt sich nun dem Ende zu. Nächsten Dienstag geht es zurück nach Deutschland, und weil ich nur 20 kg an Gepäck mitnehmen darf, mußte ich zusehen, wie ich den Rest nach Hause schaffe.

In den vergangenen Monaten hatte ich schon einige größere Pakete mit Andenken, Büchern, Weihnachtsgeschenken und sonstigem Kram mit der Schiffspost abgeschickt. Die ersten sind auch schon angekommen. Aber ich hatte immer noch viel zu viel. Zum Glück bin ich in einer der englischsprachigen Zeitschriften, die es hier gibt, auf die Anzeige eines Umzugsdienstes gestoßen. Der wird in ca. anderthalb Stunden hier vor der Haustür stehen und ein etwas größeres Paket in Empfang nehmen:


Den großen Rucksack. Prall gefüllt mit meiner Sommerkleidung. Das ganze wird zu einem durchaus vernünftigen Preis mit dem Schiff (da am günstigsten) nach Deutschland gechickt. Das wird auch so zwei bis drei Monate dauern, aber so lange werde ich auf meine Sommerkleidung schon verzichten können. ;-)

Die letzten beiden Arbeitstage

Samstag:


Sonntag:

Sonntag, November 26, 2006

Countdown

Noch acht Stunden ...

Freitag, November 24, 2006

In Japan beim Frisör

Frisörbesuche gehören zu den Dingen im Leben, die ich nicht so gerne mache. Hauptsächlich deshalb, weil ich mich dabei in der Regel gewaltig langweile. Deswegen habe ich auch eine Frisur, die keinen allmonatlichen Gang zum Barbier erfordert. Hier in Japan kam noch ein weiterer Grund hinzu: die Horrorgeschichten, die mir Kollegen schon in meiner Anfangszeit von den japanischen Frisören erzählten.

Später konnte ich mich persönlich vom Wahrheitsgehalt dieser Geschichten überzeugen. Ellie und einige Zeit später auch Helen kamen mit deutlich verändertem Haarschnitt vom Frisör zurück. Bei Ellie sah das Ergebnis zugegebenermaßen sehr gut aus, und in Helens Fall hatte der Meister keine Verwüstungen angerichtet, aber die ursprüngliche Frisur hatte mir doch besser gefallen. Das interessante an beiden Fällen ist aber, daß weder Ellie noch Helen diesen Haarschnitt verlangt hatten. Sie hatten sich die Haare lediglich um ein paar Zentimeter kürzen lassen wollen. Und Ellie spricht ziemlich gut Japanisch, da konnte der Frisör gar nichts falsch verstanden haben.

Das Problem liegt ganz woanders. Der Frisör beginnt seine Arbeit und denkt sich: "Oh! Die Gaijins haben ja viel feineres und dünneres Haar als wir Japaner! Sollte ich da vielleicht was an meiner Schnittechnik ändern? - - Ach was, die kriegt jetzt einfach den japanischen Standardhaarschnitt!!"

Daher gilt: Vorsicht beim Frisörbesuch. Die Schilder, mit denen die Frisöre ihre Läden kenzeichnen, sollten Warnung genug sein.

In Takarazuka:


(Der Name scheint sehr beliebt zu sein, habe ich auch in anderen Städten schon gesehen.)

In Hiroshima:



Und der "schönste" zum Schluß, ein Frisörsalon in Miyazaki:


Am besten, man fragt ein bißchen im Kollegen- und Freundeskreis herum, bevor man einfach den nächstbesten Salon aufsucht. So bin ich im Sommer, als es mir unter meiner Mähne schlicht zu heiß wurde, bei Makoto gelandet, der mir von Angelica und anderen wärmstens empfohlen wurde. Er hat eine Zeit irgendwo in Nordamerika gelebt und gearbeitet, kennt sich mit dem Haar von Gaijins aus und hat meine Haare genauso geschnitten, wie ich es haben wollte.

Was kann das sein?

Ist das etwa ...? Sieht doch ganz so aus! Lembas?!


NEIN! Es ist Onigiri! Reisbällchen oder -dreiecke mit einer Füllung, meistens aus Fisch oder Gemüse, inzwischen aber oft auch Hähnchen. Umhüllt wird das ganze mit Nori. Das wiederum sind Algen. Entsprechend schmeckt es auch: fischig, zäh, pappig und trocken. Ist aber eine gute Hülle für den Reis.

Onigiri sind eine beliebte Zwischenmahlzeit, ein guter Snack für Zwischendurch, und eine ganze Weile habe ich Onigiri (meistens mit Hähnchenfüllung - da weiß man, was man hat) in mein Lunchpaket getan. Bis es mir dann gründlich über wurde, und das für einige Monate. Inzwischen esse ich es wieder ab und an.


So sieht das dann verpackt aus. Das hier war Onigiri mit Bonitofüllung (hat mich nicht überzeugen können). Überhaupt ist der Onigiri-Kauf für mich immer noch eine Art Roulettespiel. Was mag da drin sein? Meistens ist ja doch wieder alles in Kanji geschrieben. (Auf diesem hier dankenswerterweise in Hiragana, da konnte ich es wenigstens im Wörterbuch nachschlagen.) Glücklicherweise wird Hähnchen als "chicken" verzeichnet und in Katakana geschrieben. Ansonsten gilt die Methode "Versuch und Irrtum". Bei der ich sehr vorsichtig geworden bin, nachdem ich ziemlich zu Beginn mal herzhaft in eine rötliche, schleimige, undefinierbare Masse mit leicht säuerlichem Geschmack gebissen habe. Bäh! Da wollte ich gar nicht erst wissen, was das war.

Donnerstag, November 23, 2006

Die Neue

Ab heute habe ich wieder eine Mitbewohnerin, Jessica. Sie ist irgendwann heute nachmittag angekommen, während ich bei der Arbeit war. Also hatte ich ihr einen kurzen Brief hinterlassen und eine Karte der näheren Umgebung (wo sind die Supermärkte, etc.) an den Kühlschrank gehängt. Als ich eben nach Hause kam, wartete sie schon auf mich. Für mehr als einen kurzen Eindruck (scheint ok. zu sein) hat das natürlich nicht gereicht, zumal sie nach ihrem elfstündigen Flug auch sehr müde war. Morgen ist ja auch noch ein Tag.

Mittwoch, November 22, 2006

Herbst in Kansai

Der Reisebericht hat so viel Zeit beansprucht, daß ich mit den Berichten über die letzten Wochenenden gar nicht mehr nachgekommen bin. Hier also nun eine Zusammenfassung.

Am 6.11. bin ich zum ich weiß nicht mehr wievielten Mal nach Kyōto gefahren. Im Nordwesten der Stadt gab es noch einen Tempel, den ich mir unbedingt ansehen wollte. Außerdem wollte ich sehen, ob sich die Ahorne schon rot gefärbt hatten.

Der Ryōan-ji ist ein Zen-Tempel, Weltkulturerbe und berühmt für seinen Steingarten. Der sieht so aus, wie ich mir einen echten Zen-Garten immer vorgestellt habe: eine sauber geharkte Kiesfläche und zwischendrin ein paar Felsbrocken.


Mein erster Gedanke war ein enttäuschtes "ist der aber klein!" Dennoch tat ich es den zahlreichen anderen Besuchern gleich, die auf der Holzterrasse vor dem Steingarten saßen und kontemplativ auf die gepflegte Ödnis blickten. Und siehe da: es wirkte. Das scheint der Trick bei diesen Zengärten zu sein. Sobald man sich darauf eingelassen hat, erkennt man die Schönheit des Designs, die Gedanken schweifen ab, und der Geist wird zwar nicht unbedingt frei, aber ruhig.

(Es sei denn, eine vollschlanke Touristin im wallendenden weißen Gewand, wehender weißer Bluse und weit ausladendem weißen Hut betritt die Szene. Da ist es mit der Andacht dann ganz schnell wieder vorbei. Leider war es unmöglich, sie unauffällig zu fotografieren, und da habe ich mich nicht getraut. Zum Paparazzo - Paparazza? - fehlt mir die nötige Dreistigkeit.)


Wenn man um die Haupthalle des Tempels mit ihren schönen Tatamiräumen und prächtig bemalten Schiebetüren herumgeht, kommt man zu diesem kleinen steinernen Waschbecken. Ein "Tsukubai" ist das, ursprünglich zum Händewaschen vor der Teezeremonie gedacht. Die vier Schriftzeichen sollen ein Ausspruch von einem Zen-Meister sein. Die Broschüre, die ich am Eingang bekommen hatte, übersetzt ihn mit "I learn only to be contented" und erklärt:

He who learns only to be contented is spiritually rich, while the one who does not learn to be contented is spiritually poor even if he is materially rich.

Ein schöner Tempel. Es gab nur einen winzig kleinen Wermutstropfen: die Bäume waren bis auf ein paar vereinzelte Ausnahmen alle noch grün. Dennoch habe ich mich nicht beirren lassen, und bin einfach die Straße weiter nach Westen gewandert, wo schon der nächste Tempel stand (Überraschung!), der Ninna-ji. Ebenfalls ein Weltkulturerbe.


Ein riesiger Tempelkomplex mit schönen Gartenanlagen, darunter ganz kleine, die sich in den kleinen Raum zwischen zwei Gebäuden ducken (so wie hier), und ein ganz großer, ...


... und jede Menge prächtiger Wandmalereien, an denen ich mich kaum sattsehen konnte.

Da habe ich eine ganze Weile auf den zahlreichen Sitzterrassen gesessen und die Gärten bewundert. Dann ging es weiter. Mit dem Bus fuhr ich zum Kinkaku-ji, den ich eigentlich gar nicht hatte besichtigen wollen. Ich war ja schon mal da gewesen. Aber dann konnte ich es doch nicht lassen.


Am Kinkaku-ji herrschte Hochbetrieb. Zusätzlich zu den zahlreichen Touristen wurden auch noch jede Menge Schulklassen durch das Gelände geschleust.


Der Goldene Pavillon war dann aber Entschädigung genug. Auch bei meinem zweiten Besuch war der Anblick einfach überwältigend. So was schönes!

Auf dem Weg zum Bahnhof hielt der Bus an einem weiteren großen Tempelkomplex an, dem Daitoku-ji. Vier der über zwanzig Tempel, die dazu gehören, sind laut Reiseführer der Öffentlichkeit zugänglich, und bieten u.a. weitere Beispiele für Zen-Gärten. Also bin ich da ausgestiegen.

Auch am Daitoku-ji war einiges los. Besser gesagt: einiges war los gewesen, denn als ich ankam, verließen jede Menge Japaner gemächlich das Gelände, stiegen in wartende Taxis, Busse oder eigene Autos. Die Frauen trugen fast alle Kimonos, einer schöner als der andere. Ich sehe fast täglich mindestens eine Frau, die einen Kimono trägt, aber so viele Japanerinnen in traditioneller Kleidung auf einem Haufen habe ich das letzte Mal bei den Sommerfesten gesehen. Und da trugen alle den wesentlich leichteren Yukata.


Alles sah nach einem Fest aus, aber was da gefeiert worden war, habe ich nicht rausbekommen können. Ich bin nur eine Weile herumgeschlendert und habe dem allgemeinen Aufbruch zugesehen. In einen Tempel bin ich nicht mehr gegangen, denn alle, an denen ich vorbeikam, waren geschlossen.

Eine Woche später, am 13.11. bin ich zusammen mit George bei strahlendem Herbstwetter nach Himeji gefahren. Ich wollte die Burg und den Garten noch einmal sehen, und wenn möglich mit knallrotem Ahorn. Aber es war immer noch nicht soweit.


Dafür war das Laub der Kirschbäume, die den Weg vom äußersten Wall zum eigentlichen Eingang säumen und im Frühling für ein Blütenmeer sorgen, herrlich rot.


Erstaunlicherweise blühten in einem der Innenhöfe, an denen es zum Hauptturm entlang ging, zwei (Kirsch?)Bäume. Mitten im November. Ist das normal, oder ist das ein Zeichen für den Klimawandel? Ich weiß es nicht.


Für kräftiges Rot war es auch im Kōko-en offensichtlich noch ein bißchen zu früh. Aber man kann es zumindest schon erahnen.


Trotzdem war es schön, noch einmal dorthin gefahren zu sein. Im Unterschied zum Februar war nun wirklich alles grün (oder beginnend rot), und sogar ein paar Blumen blühten noch.

Als wir den Rundgang durch den Garten fast beendet hatten, hörten wir plötzlich lautes Getrommel. George wurde ganz aufgeregt: das war der Klang von Taikos, japanischen Trommeln. George lernt seit einigen Monaten Taiko, und da wollte er natürlich unbedingt sehen, wer da spielte. Ich war auch gewaltig neugierig.


Wir folgten einfach dem Klang und landeten vor diesem Schulgebäude, wo sich die Taiko-AG vor dem Eingang zum Üben aufgestellt hatte.

Da steht ein Paket auf dem Flur ...

Kurz nach fünf kam ich von der Arbeit (und einigen letzten Einkäufen) nach Hause. Vor der Tür stand ein riesiges Paket.


Es enthält den Futon für Jessica, die morgen hier ankommen soll, falls die Informationen von Accomodation Section zutreffend sein sollten. Es hätte mich auch nicht überrascht, wenn sie heute schon gekommen wäre. Die Lieferung war für heute um 12:00 schriftlich angekündigt worden. Zusammen mit der Bitte, wenn möglich zu diesem Zeitpunkt zu Hause zu sein. Ich mußte aber arbeiten (und hatte die Sache auch schon wieder vergessen). Da hatten die Lieferanten das Ding einfach vor der Haustür abgestellt. Mitten auf den Flur, in einem Haus, wo es im Eingangsbereich zwar Videoüberwachung gibt, die Haustür aber grundsätzlich nie abgeschlossen ist. Wo, mit anderen Worten, jeder rein kann. Fünf Stunden lang stand es dort, und keiner hat's geklaut.

Das ist Japan.

Sonntag, November 19, 2006

Die letzte Woche


Nur noch 34 Stunden. Fünf am Mittwoch, acht am Donnerstag, fünf am Freitag, acht am Samstag, acht am Sonntag.

Samstag, November 18, 2006

"Haben Sie noch eine Frage?"

"Ja. Ich habe keine Frage."
Die Standardantwort. Höre ich jeden Tag mehrmals.

"Nein, alles klar."
"Und Sie? Haben Sie eine Frage?"
"Ich bin auch klar."
Das ist sehr beruhigend.

"Ja, ich habe eine Frage. In Deutschland sagt man nicht 'Bäcker schmeckt gut'?"
Genau. Und "das Restaurant ist lecker" sagt man in Deutschland auch nicht.

"Ist 'reserviert' ich habe angerufen?"
HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH!!! Das war das Thema der Stunde!!

"Ja. Ute, die Kirchen in Deutschland sind alle nach Osten gebaut?"
???? Was hat das mit der heutigen Stunde zu tun?!

Letztere Frage stammt von einem unserer speziellen Schüler. Der lebende Beweis dafür, daß Lehrer die schwierigsten Schüler sind. Er stellt gerne solche Fragen, die mit der Stunde aber auch wirklich gar nichts zu tun haben. Heute abend hatte ich ihn nach sehr langer Zeit das erste Mal wieder. Eine Fortgeschrittenengruppe. Thema: Einchecken im Hotel. Aus Erfahrung habe ich ihn als letzten gefragt, ob er noch eine Frage habe. Damit die Mitschüler noch eine Chance haben, falls sie eine wirkliche Frage haben. Ich tat gut daran:

"A propos Hotel: In Deutschland in vielen Hotelnamen ist Frakturschrift. Also viele Leute in Deutschland können Frakturschrift lesen?"

Freitag, November 17, 2006

Die Wohnung leert sich

Claudia sitzt jetzt sicher schon im Flieger nach Australien, und Anita hat am späten Vormittag unter kräftiger Mithilfe zweier Kolleginnen ihre restlichen Sachen in die neue Wohnung in Kyōto geschafft. Nur Futon, Schlafanzug und Waschzeug sind noch hier, morgen früh zieht sie dann endgültig aus.

Kurz nach zwölf stand der Inspektionstrupp, bestehend aus vier Männern mit allerhand Putz- und Werkzeug, vor der Tür. Über eine Stunde lang haben sie die freigewordenen Zimmer, Küche und Bad inspiziert und noch einmal geputzt.

Jetzt habe ich die Balkontür vom Wohnzimmer und von Claudias (jetzt ehemaligem) Zimmer, die Verbindungstür zwischen den beiden Tatami-Zimmern und meine Zimmertür so weit wie möglich aufgemacht, und nutze die Gelegenheit, mein Zimmer endlich mal richtig durchzulüften. Herrlich!

Ich genieße es richtig, die Wohnung jetzt ganz für mich alleine zu haben. Allerdings nur für ein paar Tage. Am 23. kommt schon eine neue Mitbewohnerin, Jessica, am 29. kommt eine Tara, und am 6.12., nur einen Tag nach meiner Abreise, eine Erin. Nova verliert wirklich keine Zeit. Na ja, die kurze Zeit werde ich auch noch aushalten.

Einen Diebstahl melden

Eine der Lektionen für die etwas weiter Fortgeschrittenen, die ich sehr gerne mache. Zum einen, weil sich die Lektion wunderbar für Rollenspiele eignet, und zum anderen, weil es immer wieder amüsant ist, wie die Schüler mit dem richtigen Gebrauch des Verbs "stehlen" hadern.

Das geht schon gleich zu Beginn los, wenn ich als Einstieg ins Thema die Frage stelle: "Ist Ihnen schon einmal etwas gestohlen worden?"

"Ich bin noch nicht gestohlen worden."
Wie schön!

"Ich habe keine Zeit, die mir gestohlen wurde."
Das ist ja fast schon philosophisch ...

"Ich habe einmal im Flughafen Zürich mein Gepäck gestohlen. Chigau*: Ich habe mein Gepäck stehlen lassen."

Für einen kurzen Moment habe ich mit dem Gedanken gespielt, das Wort "Versicherungsbetrug" einzuführen, aber die Erklärung hätte einfach zu lange gedauert.
_____
* Nee, falsch.

Donnerstag, November 16, 2006

Reisebericht Teil 5: Von Kitakami nach Ōsaka

Am Donnerstag, dem 2. November, ging es zurück nach Ōsaka. Diesmal mit dem Flugzeug.

Julia und Jakob brachten mich zum Flughafen in Hanamaki, nicht weit von Kitakami entfernt. Ein kleiner Flughafen, von dem an diesem Vormittag anscheinend innerhalb von vier Stunden ganze drei Flüge starteten. Entsprechend ruhig ging es dort zu. Das Flugzeug war aber dennoch gut ausgelastet.


Anderthalb Stunden dauerte der Flug, und sobald der Flieger sicher in der Luft war, begann ich zu fotografieren.


Auch von oben konnte ich die herbstliche Färbung der Blätter gut erkennen. Die Berge sahen rostrot aus.


Je weiter ich nach Süden kam, desto weniger Rot war zu sehen. So weit war der Herbst noch nicht gekommen. Dafür nahm die Bewölkung zu.


Ich hatte gehofft, vom Flugzeug aus noch einmal den Fuji sehen zu können, aber das Flugzeug flog an der Westküste Japans vorbei. So konnte ich das Japanische Meer und die Insel Sado-ga-shima (in der Vergrößerung ist sie leider ein bißchen undeutlich zu erkennen) sehen - aber eben nicht den Fuji. Schade!

Am Flughafen Kansai angekommen, mußte ich eine ganze Weile auf mein Gepäck warten, aber dann konnte ich endlich zum Bahnhof gehen, um den Flughafenexpreß nach Shin Ōsaka zu nehmen.


Unterwegs kam ich an der Ankunftshalle für internationale Flüge an und wurde fast ein bißchen nostalgisch. Da unten war ich vor gut einem Jahr angekommen, hatte mein Begrüßungspaket von Nova bekommen und, ganz wichtig, Angelica kennengelernt. Die Zeit ist so schnell rumgegangen!

Die Fahrt mit dem Flughafenexpreß dauerte eine gute Dreiviertelstunde.


Die Kansairegion ist sehr dichtbevölkert, das wußte ich ja schon, schließlich wohne ich hier schon eine ganze Zeit, aber nach ein paar Tagen Urlaub auf dem "Land" war ich von dem Häusermeer fast erschlagen. Kaum war der Zug auf dem Festland angelangt, ging es wirklich nur noch an Häusern vorbei, die immer größer und höher wurden, je näher das Zentrum der Großstadt rückte.


Zu Beginn sah es manchmal zwar noch ein ganz kleines bißchen ländlich aus, aber schon nach wenigen Sekunden war der Zug an dem Feld vorbeigerauscht und sauste wieder an Häusern entlang.


Beim Anblick dieser Angler habe ich mich gleich über zwei Dinge gewundert. Erstens: kann man in der Brühe überhaupt was fangen oder halten die Mäner die Angeln nur ins Wasser, weil es sonst zu sehr nach Nichtstun aussehen würde? Und zweitens: fallen die nicht runter? Fast alle hatten sich einen kleinen Sitz ans gemauerte Ufer montiert und saßen praktisch direkt über dem Wasser. Wenn sich da eine Verankerung löst ...


Die Fahrt ging weiter und der Anblick wurde immer häßlicher: der Zug näherte sich dem Zentrum.


Die Bauten wurden immer größer, auch wenn sich immer noch kleine Häuschen dazwischen duckten.


Schließlich passierte der Zug Ōsakas schönstes Gebäude: das Umeda Sky Building, u.a. Sitz des Deutschen Generalkonsulats und des Goetheinstituts. Im Hof zwischen den beiden Türmen wird in wenigen Tagen der Deutsche Weihnachtsmarkt eröffnet.

Nach weiteren fünf Minuten war ich in Shin
Ōsaka angekommen, und eine Viertelstunde später war ich wieder in meiner kleinen Wohnung angekommen. Der Rest des Tages verlief unspektakulär: ausgepackt, zwei Ladungen Wäsche gewaschen, eingekauft, Fotos von der Kamera aufs Notebook überspielt, ausgeruht.

Und damit wäre auch dieser Reisebericht endlich abgeschlossen - nur zwei Wochen nach der Rückkehr! ;-)

Mittwoch, November 15, 2006

Small Talk

Die beiden Damen kennen sich schon aus zahlreichen früheren Stunden auf dem untersten Fortgeschrittenenlevel. In der Aufwärmphase machen sie daher einfach ein bißchen Small Talk, anstatt das Standardprogramm (Wo wohnen Sie? Was sind Sie von Beruf? Was ist Ihr Hobby?) zum hundertsten Mal abzuspulen. Statt dessen heißt es "wie ist das Wetter bei Ihnen?" oder "was gibt es Neues?"

Oder:

"Was haben Sie heute gemacht?"
"Ich habe eine Augendauerwelle gemacht."

Das mußte ich mir auch erst einmal erklären lassen.

Sie hatte sich die Wimpern mit einem speziellen Gerät in Form gebogen. Wie man sowas macht, habe ich schon mal gesehen, in der U-Bahn (ernsthaft!!), wo viele Frauen damit beschäftigt sind, sich in aller Öffentlichkeit zurechtzumachen. Die meisten beschränken sich dabei allerdings auf Lippenstift und Puderdose. Trotzdem habe ich schon mehrfach (junge) Frauen gesehen, die sich einen dieser Monsterapparate vor das Auge hielten und die Wimpern darin festklemmten.

Den korrekten deutschen Ausdruck dafür (falls es das überhaupt gibt), konnte ich ihr allerdings nicht sagen. Da mußte ich passen. Stattdessen habe ich es umschrieben. Die Mitschülerin verstand zu diesem Zeitpunkt allerdings nur noch Bahnhof, daher durfte die andere ihr ausnahmsweise auf Japanisch erklären, um die Sache abzukürzen. Und damit wir endlich mit dem Thema anfangen konnten.

Dienstag, November 14, 2006

Reisebericht Teil 4: Herbst in Nordjapan

Vor Urlaubsbeginn hatten die Wetterfrösche für den Mittwoch (gemeint ist der 1.11.) noch Wolken und Regen vorhergesagt, aber bis dahin hatte Petrus es sich anders überlegt und ließ stattdessen die Sonne vom strahlendblauen Herbsthimmel scheinen. Glück gehabt!

Am Vormittag fuhren Julia, Jakob und ich Richtung Tōno. In diesem malerischen Tal gibt es mehrere Museumsdörfer, und das schönste davon, Furusato-mura, wollte Julia mir zeigen. Tōno ist auch eine der wenigen Attraktionen der Gegend, die es in meinen Reiseführer geschafft haben.

Ich war genau zum richtigen Zeitpunkt dorthin gekommen: der Herbst hatte seinen Höhepunkt erreicht. Die Wälder auf den umliegenden Bergen leuchteten allesamt gelb und rot, und nur die Nadelbäume waren grün geblieben. Toll sah das aus.

Unterwegs machten wir an einem Stausee einen kurzen Halt.


Am Seeufer gibt es einen kleinen Schrein, und daneben einen dieser unglaublich rot leuchtenden japanischen Ahornbäume, von denen wir später noch mehr sehen sollen.


Am Stausee hatte man einen kleinen Jachthafen gebaut, an dem aber nichts los war (darum nicht im Bild), und davon etwas entfernt eine moderne Fußgängerbrücke, welche den Wanderweg vom einen Ufer mit dem Wanderweg, den wir auf dem anderen Ufer nicht entdecken konnten, verbindet.


Natürlich sind wir über die Brücke gegangen, denn wie Julia meinte, waren wir vermutlich die ersten Gaijin, die ihren Fuß darauf gesetzt haben. Die Chancen stehen jedenfalls nicht schlecht.

Dann ging es weiter nach Tōno und ins Museumsdorf. Einige alte Bauernhäuser aus der Gegend sind hier aufgestellt worden, außerdem gibt es eine kleine Wassermühle, einen kleinen Schrein, einen Teich, ein paar Felder und neben nahezu jedem der Bauernhäuser ein vorbildlich sauberes Toilettenhäuschen (dankenswerterweise im selben Stil wie die anderen Gebäude gehalten).


So sieht ein Magariya, das traditionelle, L-förmige Bauernhaus, aus. Im linken Teil waren die Tiere untergebracht, im rechten wohnten die Menschen. Vor dem Stalleingang hingen Rettiche zum Trocknen, und während in zweien der Häuser zu Jakobs Freude jeweils ein Pferd im Stall stand, gab es in diesem Fall etwas anderes zu sehen:


In dem kleinen Schrein stand noch so eine Gestalt. Und ein ebenso großer hölzerner Penis, dem Geldstücke (wahrscheinlich Ein-Yen-Münzen, die hier übliche "Spendensumme") in sämtliche Ritzen im Holz gesteckt worden waren. Abergläubisches Volk! :-))

In einem der Bauernhäuser haben wir uns ein leckeres Mittagessen gegönnt. Dieses Angebot gibt es in einigen der Häuser, ein weiteres Restaurant gibt es am Eingang zum Museumsdorf - das kann einfach nicht rentabel sein. An diesem schönen Tag waren wir nahezu die einzigen Besucher im Dorf. Es war nicht einmal eine Schulklasse da. Wahrscheinlich hochsubventioniert, das Ganze.


Weil es in dem Gebäude doch schon etwas kühl war, machte die nette Bedienung extra für uns den Ofen an. Von dessen Wärme kam allerdings nicht allzuviel an, dabei stand er gar nicht sooo weit von uns entfernt. Was müssen die Bauern früher im Winter gefroren haben! Japanische Häuser sind halt vor allem für den Sommer gebaut. Lehmhäuser wären für das Klima ideal, aber leider sind sie alles andere als erdbebensicher und daher für Japan ungeeignet.


Etwas später trafen wir noch ein paar Besucher an einem der besonders kräftig leuchtenden Ahornbäume. Eine gute Gelegenheit zum Erinnerungsbild.


Dann begegneten wir der einsamen Dorfgans. Und einem Arbeiter des Museumsdorfes, der mit dem Lieferwagen vorbeikam. Er sah, wie wir Fotos von der Gans machten, und wollte uns dann eine Freude machen. Wir sollten uns mit der Gans zum Gruppenfoto aufstellen. Nur war die Gans von dieser Idee überhaupt nicht angetan. Immer rannte sie weg. Wir hinterher. Der Mann auch. Wann immer wir vier (die Gans, Julia, Jakob und ich) halbwegs in Position standen, drückte der Mann auf den Auflöser von Julias Kamera, aber viel zu zaghaft. Jedenfalls gab es kein Bild. Dann lief die Gans wieder weg, und alles ging von vorne los. Der Mann wollte unbedingt das Foto machen, versprochen ist schließlich versprochen, aber nach einer Weile gab er es doch auf.


An dem mit Abstand rotesten Ahorn vorbei gingen wir Richtung Ausgang, denn als nächstes stand der Fukusen-ji auf dem Programm. Dieser Tempel ist noch keine hundert Jahre alt, aber er beherbergt eine 17 Meter hohe, hölzerne Statue von Kannon, der buddhistischen Gottheit des Mitgefühls.


Die Figur ist tatsächlich beeindruckend groß, und die japanischen Tempel mag ich sowieso alle. Aber an diesem hier hat mir doch das Drumherum am besten gefallen. Soll heißen, die gelb, orange und rot leuchtenden Bäume, unter denen entlang der Weg erst den Berg zur Haupthalle hinauf- und anschließend wieder hinunterführte.


Eine andere Berühmtheit der Gegend ist der Kappa, eine Sagengestalt, die es sogar schon in das Schulbuch des berühmtesten Zauberlehrlings der Welt geschafft hat. In den unvermeidlichen Andenkenläden ist die Figur in verschiedenen Varianten allgegenwärtig.


Kappas sind im Allgemeinen bösartige Kreaturen, aber dieser hier gehört zu den Ausnahmen. Er hat den Menschen geholfen, ein Feuer zu löschen. Dazu hat er einfach das Wasser aus der Vertiefung auf seinem Schädel auf die Flammen geschüttet. Eigentlich verleiht dieses Wasser dem Kappa seine Zauberkraft. Zum Dank haben die Menschen ihm an dem Bach, in dem er lebt, eine kleine Statue aufgestellt. Dieser Bach fließt hinter einem anderen Tempel vorbei, in dem gerade eine Beerdigung abgehalten wurde. Es muß jemand wichtiges gestorben sein, es waren viele Menschen da und kein Parkplatz mehr frei.

Viel Zeit war aber nicht mehr, denn Julia wollte mir noch einen besonders schönen Onsen zeigen, bei dem Gäste, die nur zum Baden kommen und nicht auch übernachten wollen, nur bis vier Uhr eingelassen werden.


Dieser Onsen befindet sich in einem kleinen Tal in den Bergen bei Hanamaki, Kitakamis Nachbarstadt. Kurz vor vier kamen wir an, gerade noch rechtzeitig. Das Außenbecken war wirklich klasse. Frische Luft, viele Bäume ringsum. Eine kleine Treppe führt zum Fluß hinab, der ein wenig unterhalb vorbeirauscht. Aber anscheinend geht nie jemand wirklich hinunter, um sich im kalten Wasser ein wenig abzukühlen.

Nach einem kurzen Abstecher in der schicksten Konditorei Kitakamis warteten wir auf die Rückkehr von Julias Mann Thomas von der Arbeit, dann fuhren wir alle zum Okonomiyaki-Essen. Im Unterschied zu meinem Stammlokal bekommt man dort die Zutaten in einer Schüssel gereicht und darf sich das Essen dann selbst braten. *mmmh*