Am 6.11. bin ich zum ich weiß nicht mehr wievielten Mal nach Kyōto gefahren. Im Nordwesten der Stadt gab es noch einen Tempel, den ich mir unbedingt ansehen wollte. Außerdem wollte ich sehen, ob sich die Ahorne schon rot gefärbt hatten.
Der Ryōan-ji ist ein Zen-Tempel, Weltkulturerbe und berühmt für seinen Steingarten. Der sieht so aus, wie ich mir einen echten Zen-Garten immer vorgestellt habe: eine sauber geharkte Kiesfläche und zwischendrin ein paar Felsbrocken.
Mein erster Gedanke war ein enttäuschtes "ist der aber klein!" Dennoch tat ich es den zahlreichen anderen Besuchern gleich, die auf der Holzterrasse vor dem Steingarten saßen und kontemplativ auf die gepflegte Ödnis blickten. Und siehe da: es wirkte. Das scheint der Trick bei diesen Zengärten zu sein. Sobald man sich darauf eingelassen hat, erkennt man die Schönheit des Designs, die Gedanken schweifen ab, und der Geist wird zwar nicht unbedingt frei, aber ruhig.
(Es sei denn, eine vollschlanke Touristin im wallendenden weißen Gewand, wehender weißer Bluse und weit ausladendem weißen Hut betritt die Szene. Da ist es mit der Andacht dann ganz schnell wieder vorbei. Leider war es unmöglich, sie unauffällig zu fotografieren, und da habe ich mich nicht getraut. Zum Paparazzo - Paparazza? - fehlt mir die nötige Dreistigkeit.)
Wenn man um die Haupthalle des Tempels mit ihren schönen Tatamiräumen und prächtig bemalten Schiebetüren herumgeht, kommt man zu diesem kleinen steinernen Waschbecken. Ein "Tsukubai" ist das, ursprünglich zum Händewaschen vor der Teezeremonie gedacht. Die vier Schriftzeichen sollen ein Ausspruch von einem Zen-Meister sein. Die Broschüre, die ich am Eingang bekommen hatte, übersetzt ihn mit "I learn only to be contented" und erklärt:
He who learns only to be contented is spiritually rich, while the one who does not learn to be contented is spiritually poor even if he is materially rich.
Ein schöner Tempel. Es gab nur einen winzig kleinen Wermutstropfen: die Bäume waren bis auf ein paar vereinzelte Ausnahmen alle noch grün. Dennoch habe ich mich nicht beirren lassen, und bin einfach die Straße weiter nach Westen gewandert, wo schon der nächste Tempel stand (Überraschung!), der Ninna-ji. Ebenfalls ein Weltkulturerbe.
Ein riesiger Tempelkomplex mit schönen Gartenanlagen, darunter ganz kleine, die sich in den kleinen Raum zwischen zwei Gebäuden ducken (so wie hier), und ein ganz großer, ...
... und jede Menge prächtiger Wandmalereien, an denen ich mich kaum sattsehen konnte.
Da habe ich eine ganze Weile auf den zahlreichen Sitzterrassen gesessen und die Gärten bewundert. Dann ging es weiter. Mit dem Bus fuhr ich zum Kinkaku-ji, den ich eigentlich gar nicht hatte besichtigen wollen. Ich war ja schon mal da gewesen. Aber dann konnte ich es doch nicht lassen.
Am Kinkaku-ji herrschte Hochbetrieb. Zusätzlich zu den zahlreichen Touristen wurden auch noch jede Menge Schulklassen durch das Gelände geschleust.
Der Goldene Pavillon war dann aber Entschädigung genug. Auch bei meinem zweiten Besuch war der Anblick einfach überwältigend. So was schönes!
Auf dem Weg zum Bahnhof hielt der Bus an einem weiteren großen Tempelkomplex an, dem Daitoku-ji. Vier der über zwanzig Tempel, die dazu gehören, sind laut Reiseführer der Öffentlichkeit zugänglich, und bieten u.a. weitere Beispiele für Zen-Gärten. Also bin ich da ausgestiegen.
Auch am Daitoku-ji war einiges los. Besser gesagt: einiges war los gewesen, denn als ich ankam, verließen jede Menge Japaner gemächlich das Gelände, stiegen in wartende Taxis, Busse oder eigene Autos. Die Frauen trugen fast alle Kimonos, einer schöner als der andere. Ich sehe fast täglich mindestens eine Frau, die einen Kimono trägt, aber so viele Japanerinnen in traditioneller Kleidung auf einem Haufen habe ich das letzte Mal bei den Sommerfesten gesehen. Und da trugen alle den wesentlich leichteren Yukata.
Alles sah nach einem Fest aus, aber was da gefeiert worden war, habe ich nicht rausbekommen können. Ich bin nur eine Weile herumgeschlendert und habe dem allgemeinen Aufbruch zugesehen. In einen Tempel bin ich nicht mehr gegangen, denn alle, an denen ich vorbeikam, waren geschlossen.
Eine Woche später, am 13.11. bin ich zusammen mit George bei strahlendem Herbstwetter nach Himeji gefahren. Ich wollte die Burg und den Garten noch einmal sehen, und wenn möglich mit knallrotem Ahorn. Aber es war immer noch nicht soweit.
Dafür war das Laub der Kirschbäume, die den Weg vom äußersten Wall zum eigentlichen Eingang säumen und im Frühling für ein Blütenmeer sorgen, herrlich rot.
Erstaunlicherweise blühten in einem der Innenhöfe, an denen es zum Hauptturm entlang ging, zwei (Kirsch?)Bäume. Mitten im November. Ist das normal, oder ist das ein Zeichen für den Klimawandel? Ich weiß es nicht.
Für kräftiges Rot war es auch im Kōko-en offensichtlich noch ein bißchen zu früh. Aber man kann es zumindest schon erahnen.
Trotzdem war es schön, noch einmal dorthin gefahren zu sein. Im Unterschied zum Februar war nun wirklich alles grün (oder beginnend rot), und sogar ein paar Blumen blühten noch.
Als wir den Rundgang durch den Garten fast beendet hatten, hörten wir plötzlich lautes Getrommel. George wurde ganz aufgeregt: das war der Klang von Taikos, japanischen Trommeln. George lernt seit einigen Monaten Taiko, und da wollte er natürlich unbedingt sehen, wer da spielte. Ich war auch gewaltig neugierig.
Wir folgten einfach dem Klang und landeten vor diesem Schulgebäude, wo sich die Taiko-AG vor dem Eingang zum Üben aufgestellt hatte.
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