Mittwoch, November 30, 2005

Verständnisprobleme

Ich verstehe die Japaner einfach nicht: eine Hochkultur, die wunderschöne Bauwerke errichtet hat, die ihre Privatwohnungen in einer erlesenen Schlichtheit dekoriert (mein kleines Zimmerchen mit seinen Tatami und Schiebetüren zum Beispiel ist einfach schön) - und dann DAS:

Diese Weihnachtsszenerie verunstaltet seit gut zwei Wochen den Hof vom OCAT Building, wo ich auf meinem Weg zur Arbeit immer vorbei muß. Wenn abends die Beleuchtung angeschaltet wird, ist es noch scheußlicher.
Und, was man sich kaum vorstellen kann: das da ist noch harmlos verglichen mit dem Weihnachtskitsch, den irgendwelche zugedröhnten Dekorateure schon vor drei Wochen in Dotombori aufgestellt haben. Da tummeln sich neben den unvermeintlichen Elchen und Tannenbäumen noch ein paar Seehunde und Eisbären. Alles schön weiß, und wenn abends die Lichter angehen, leuchtet es grellblau...*schreikrampf*

Dienstag, November 29, 2005

Verpackungswahn, Nachtrag

Letzte Woche habe ich eine lm2m-Stunde mit einer Fox-Studentin (japanische Germanistikstudentin) zum Thema "Umweltschutz" gehalten. Und wie das bei den höheren Leveln so ist, drohte die Kennenlernphase etwas auszuufern. Zum Glück habe ich es noch rechtzeitig geschafft, die Kurve zu kratzen und das Gespräch auf das von mir gewählte Thema zu lenken. Und zwar: von der Beantwortung der Frage, was mir in Japan gefällt, bin ich einfach dazu übergegangen, auch noch zu erwähnen, was ich nicht verstehe, und habe den Verpackungswahn der Japaner angesprochen. Rohstoffknappheit versus Margarine-Verpackung. Meine Schülerin sah mich mit großen Augen an: "Aber das ist in Japan ganz normal!" Ich: "Ja, und genau das VERSTEHE ich einfach nicht!!!"
In der Anwendung hat sie dann aber richtig radikale Gedanken gehabt. Aufgabe: Überlegen Sie sich ein paar Möglichkeiten zur Müllvermeidung in Japan. Ihre Idee: Margarine wird fortan nur noch in großen Bottichen im Supermarkt angeboten, und ein Verkäufer packt jedem Kunden die gewünschte Menge in eine - am besten vorher mitgebrachte - Box.
Elisa meint allerdings, die Japaner würden sich in der Hinsicht nie ändern, denn hier gelte es als unhöflich, etwas nicht zu verpacken.

Frage an alle

Was ich ja schon seit letzter Woche fragen wollte: Hat irgendjemand eine Ahnung, was das für ein Obst ist? In den Supermärkten hier gibt es das auch, es ist rot-orange, hat die Form einer etwas platteren Tomate und einen mir völlig unbekannten Namen, der hierzulande in Kanji geschrieben wird. Was mir die Möglichkeit nimmt, das Zeug im Wörterbuch zu finden, denn wenn ich der die das Kanji nicht kenne, weiß ich auch nicht, wie es ausgesprochen wird und da mein Miniwörterbuch auch im japanischen Teil nach dem lateinischen Alphabet (also der Aussprache) sortiert ist...
Sachdienliche Hinweise von allen Lesern meines Blogs werden dankbar entgegengenommen. Mich interessieren dabei vor allem zwei Dinge: a) der Name und b) kann man das essen?

Montag, November 28, 2005

Britischer Humor

Barbara bleibt nicht mehr lange hier. Am 15. Dezember fliegt sie für knapp drei Wochen nach Thailand, kommt Anfang Januar für eine Woche wieder nach Japan und fliegt dann am 15. nach England zurück. Das alles war mir schon seit längerem bekannt, aber heute mittag, als ich beim Frühstück saß (ich war die ganze letzte Woche einfach nur müde, da habe ich heute einen Gammeltag eingelegt, ausgeschlafen und abends die erste Ladung Pfefferkuchen gebacken), erzählte sie mir von dem Weihnachtspaket, das sie gestern an ihre Familie geschickt hat. Die werden eine freudige Überraschung erleben: in der beiliegenden Weihnachtskarte erfahren sie von der bevorstehenden Rückkehr ihrer Tochter.
Ich habe ja schon viel von dem berühmten britischen Humor gehört, aber das hat mir echt die Sprache verschlagen!!

Freitag, November 25, 2005

Oh du fröhliche

Stellt Euch vor, ich bin am Mittwoch nachmittag spontan für ein paar Stunden nach Deutschland geflogen und habe einen Weihnachtsmarkt besucht!!! Schön, wenn man nur eine halbe Schicht arbeiten muß! :-)
Scherz beiseite, ich bin natürlich schön brav in Osaka geblieben und habe zusammen mit Angelica und Nicole den Weihnachtsmarkt hier besucht.
Und ja, es gibt in Osaka tatsächlich einen richtigen Weihnachtsmarkt!

Das ist schon ein ziemlich surreales Gefühl, wenn man aus der U-Bahn-Station kommt, an japanischen Geschäften vorbei auf die Fußgängerunterführung zum Umeda Sky Building zusteuert, die unter vielen Gleisen zum Ort der Wünsche führt, aus selbiger wieder ans (nach 16:30 schon wegdämmernde) Tageslicht kommt und dann als erstes "Willkommen zum Weihnachtsmarkt" zu lesen bekommt.
Surreal, aber kein Wunder, denn der Weihnachtsmarkt wird vom Goethe-Institut (und/oder dem deutschen Generalkonsulat) veranstaltet, die beide im Umeda Sky Building ihren Sitz haben. Der Weihnachtsmarkt befindet sich daher auch im Hof des riesigen Gebäudes. Und es ist alles sehr deutsch, das Verkaufspersonal an den Ständen ist deutsch und japanisch, es gibt Glühwein (und Kinderpunsch für die Antialkoholikerfraktion), Thüringer Bratwurst, Mutzen, gebrannte Mandeln und Lebkuchen. Außerdem einen Stand mit russischen Matrjoschka-Puppen aus der Ukraine (samt ukrainischem Verkäufer; ich habe es mir nicht verkneifen können, mein Russisch auszuprobieren - und außerdem wollte Nicole dann noch unbedingt eine kleine Matrjoschka kaufen), Kitsch aus Indien und was es sonst noch so auf einem deutschen Weihnachtsmarkt gibt.

Inklusive Tannenbaum mit kleiner Bühne davor, wo dann um fünf Uhr alle Lichter angingen und eine japanische Boygroup erst "We Wish You A Merry Christmas" und danach japanischen Pop intonierte. In den Pausen kam Musik vom Band, eine bunte Mischung aus sehr alten und neueren Weihnachtsklassikern von "Adeste Fideles" bis "Last Christmas". Ein bißchen habe ich die deutschen Weihnachtslieder vermißt, das muß ich ganz ehrlich zugeben.
Aber der Anblick der Buden sorgte dann doch für ausreichend "deutsche" Weihnachtsstimmung.

Darf ich vorstellen: Nicole aus Australien (wo man laut ihrer Aussage an Weihnachten mit einer Dose Bier in der Hand im Top am Strand steht und laut "I'm Dreaming Of A White Christmas" singt) und Angelica aus England. Beide waren bereit, von mir in das Abenteuer "Deutscher Weihnachtsmarkt" eingeführt zu werden. Also: Glühweintrinken (die Becher mit der Aufschrift "Heidelberger Weihnachtsmarkt" durften wir behalten, und in zwei Wochen gehen wir wieder hin und nehmen dann die Becher mit der Aufschrift "Osaka Weihnachtsmarkt"!) und Bratwurstessen (inklusive einer Einführung in den Trick, den schmalen perforierten Streifen vom Pappteller abzureißen und um die Bratwurst zu wickeln, damit die Finger halbwegs sauber bleiben - diese geniale Erfindung muß im gesamten angelsächsischen Sprachraum vollkommen unbekannt sein), dabei Herumstehen und über Gott und die Welt quatschen. Mit dem schönen Nostalgiekarussell sind wir auch gefahren (der Kartenverkäufer hat vielleicht einen komischen
Gesichtsausdruck gehabt - versteh' ich gar nicht *zwinker*), an einem der Stände habe ich mich mit Rooibos-Tee (mit Vanille) eingedeckt, und zum Abschluß haben wir uns eine große Tüte frisch gebrannter Mandeln gegönnt, deren Suchtpotential Nicole und Angelica rasch erkannt haben. Wobei die beiden echt mutig waren, schließlich kannte ich das englische Wort für "Mandeln" nicht und geriet deswegen kurz in Erklärungsnot, aber Nicole hat es ziemlich bald selber rausgekriegt ("It has a bit a taste like almonds!").
Wie gesagt, in zwei Wochen gehen wir wieder hin.
Gestern kam dann der langersehnte dicke Briefumschlag aus Deutschland mit Pottasche und Pfefferkuchengewürz an, heute habe ich den Teig angerührt, der jetzt im Kühschrank ein wenig ruhen darf, bis ich Dienstag die erste Ladung backe.
Jetzt kann Weihnachten kommen - ich bin bereit!

Erfolgserlebnis

Heute habe ich das MMC beschwingt wie nie betreten, denn: ich war vorher beim Postamt vorbeigegangen, um einen Brief nach Deutschland (ein kleiner Gruß für die in Deutschland verbliebenen Mitarbeiter der Mutter-Kind-Erholung in Weißrußland, die sich am 8. Dezember leider ohne mich zum Nachtreffen versammeln) ordnungsgemäß frankieren zu lassen. Und - man höre und staune - ICH HABE DEN PREIS VERSTANDEN!!! *juchz*
Heute schaffe ich einfach alles!!!!!

Mittwoch, November 23, 2005

Streichelzoo

Nara hat - neben den wunderschönen Tempeln, Schreinen und Ahornbäumen - noch eine weitere Attraktion: die halbwilden Hirsche im Nara-koen!
They were originally regarded as divine messengers of one of Kasuga-jinja's Shinto gods, and anyone who killed a deer was liable to be dispatched shortly after. During World War II the numbers dwindled to just seventy beasts, but now they're back with a vengeance - which makes picknicking impossible and presents something of a hazard to young children.

Schreibt mein Reiseführer. Die Tiere sind die Maskottchen der Stadt, weshalb an den Andenkenständen Hirsche in allen Formen, Größen und Farben feilgeboten werden. Da gibt es quietschbunte aufblasbare Hirsche (total häßlich), die kind an einer langen Schnur hinter sich her ziehen kann, riesige, mittelgroße und kleine Stofftiere (von denen die einen eher Teddybären mit angepepptem Hirschgeweih ähnelten und wieder andere den Verdacht in mir weckten, hier habe sich für Disney eine zusätzliche Einkommensquelle aufgetan), niedliche kleine Schlüsselanhänger. Der Vermarktungswahn geht soweit, daß sogar "Deer excrements" aus Schokolade in hübschen Pappschachteln zum Verkauf angeboten werden. Die Viecher sind wirklich allgegenwärtig.
Und tatsächlich hat es gar nicht lange gedauert (kaum war ich am Kofuku-ji vorbei), da habe ich die ersten echten Hirsche in einer kleinen Einzäunung gesehen.

Die Einzäunung erwies sich allerdings als rein symbolisch (wo Kleinkinder locker rüberkommen, da ist halt kein ernsthaftes Hindernis für ausgewachsene und halbausgewachsene Hirsche), und da, wie ich Alesja schon einmal aus anderem Anlaß geschrieben habe, Touristen eine eigene Gattung Mensch (völlig ohne Verstand) sind, stehen überall Schilder mit Verhaltensweisen zum korrekten Umgang zwischen Mensch und Tier herum.

Schade nur, daß ich sie nicht lesen kann. Das einzige, was ich entdecken konnte, war die Warnung davor, im Mai (= im 5. Monat) die Jungtiere zu streicheln und so die Muttertiere zu verärgern, und vor irgendetwas zwischen September und November (= 9. und 11. Monat), was ich als Brunftzeit interpretiert habe.
Diese Schilder sind in der Tat notwendig, denn die Hirsche erfreuen sich einer umfassenden Bewegungsfreiheit und laufen wirklich überall herum.


In der Regel verläuft das Zusammenleben völlig problemlos in einem friedlichen und beschaulichen Nebeneinander.


Aber da man an jeder Straßenecke "Deer cracker" für 150 Yen erwerben kann (versehen mit der ausdrücklichen Warnung, diese seien für den menschlichen Verzehr ungeeignet), um die armen Hirsche vor dem Hungertod zu retten, erwarten die lieben Tierchen von jedem Menschen in ihrer Reichweite, daß er oder sie ein Leckerli für sie dabei hat. Und gehen dann zur Sicherheit einmal nachgucken. Und wenn gerade kein Tourist zu sehen ist, werden eben die Andenkenstände inspiziert.

Da kann man unverhofft von hinten sanft angestupst werden - oder ein Tier steht plötzlich direkt neben einem. Man kann nie sicher sein.

Wäre das ein Hund, würde dessen Herrchen jetzt sicher den tollen Spruch von wegen "der will nur spielen" von sich geben, aber dieser Hirsch hier konnte es einfach nicht fassen, daß die fünf Cracker schon alles gewesen sein sollten.

Diese Horde Grundschulkinder (zusätzlich zur Schuluniform noch mit diesen schicken gelben Mützchen gestraft) war übrigens offensichtlich auf Wandertag (logo, war ja auch Montag), und aus diesem Anlaß von ihrer Schule mit den dicken blauen Arbeitsheften ausgestattet worden. Darin eine Doppelseite mit der Überschrift "Let's speak English!". Woher ich das weiß?
Ganz einfach: nachdem die Kinder alle ihre Cracker an die Hirsche verteilt hatten, widmeten sie sich der Gattung "ausländischer Tourist", und da an der Stelle nicht allzu viele Ausländer herumliefen, war ich das ideale Opfer. Da stand also plötzlich eine Gruppe von sieben Schulkindern mit aufgeschlagenen Heften vor mir, und ein Mädchen traute sich als erstes und sprach mich an: "Excuse me, *völlig unverständliches Gebrabbel*". Beim zweiten Versuch habe ich auch nicht mehr verstanden und mir daher das Heft zeigen lassen. Die Kinder hatten die Aufgabe, mit ausländischen Touristen vor Ort ins Gespräch zu kommen, der Dialog war vorgegeben. Also:
"Excuse me, do you have a minute, please?"
Ja, hatte ich.
"My name is X. What's your name?" (Angesichts von inzwischen zehn Kindern mit blauen Heften um mich herum habe ich beschlossen, das ganze Verfahren ein wenig abzukürzen und sie alle erst ihre Namen sagen lassen, bevor ich geantwortet habe.)
"My name is Ute."
"I am a student from YZ Elementary School. Where are you from?"
"I am from Germany." Und habe - inzwischen geübte Nova-Lehrerin - sofort das "concept checking" angewandt: "Is 'Germany' okay?" War es nicht, daher habe ich dann in meinem Krüppeljapanisch hinzugefügt "Doitsu-jin des."
"I see. Sign here, please."
Und dann wurden mir über zehn blaue Hefte entgegen gestreckt, in die ich jeweils mein Autogramm setzen durfte.
Und dann warteten schon die nächsten sechs Schüler. Und danach wieder welche. Und nochmal. Aber da kam Gottseidank eine Lehrerin dazwischen - ich begann schon zu befürchten, in Nara übernachten zu müssen.
Aber das jetzt nur so am Rande.

Während mir die zahlreichen Hirsche im Verlauf des Nachmittages dann doch irgendwann gewaltig auf die Nerven gegangen sind, tat mir dieser hier schon wieder leid.

Aber am besten von allen Hirschen hat mir dann doch der hier gefallen.

Dienstag, November 22, 2005

Ganz viel buntes Laub

Bei dem schönen Wetter gestern (und heute) kamen die prächtigen Herbstfarben natürlich viel besser zur Geltung als letzten Montag in Kyoto - da hat es zwar auch an allen Ecken geleuchtet, was das Zeug hielt, aber auf den Fotos kam es wegen der witterungsbedingten Dauerdämmerung nicht so gut rüber.

Im Wettbewerb "Wer hat das leuchtendste Rot?" hat dieses Bäumchen hier eine realistische Siegeschance. Wie machen die das bloß?

Ich liebe den roten Ahorn. Meinetwegen könnte es immer Herbst in Japan sein. (Ob ich das nach der Kirschblüte auch noch sage?)

Und so ein Ginkgo leuchtet halt immer - schwer zu sagen, welcher die stärkste Leuchtkraft entwickelt. Und dabei ist es gleich, ob man sich direkt darunter stellt oder das ganze von weiter weg betrachtet.

Allein ein einziger Ginkgo genügt schon, um selbst eine bescheidene Baumgruppe gewaltig aufzupeppen.

Aber der Hit ist und bleibt für mich der japanische Ahorn!!

Montag, November 21, 2005

Nara

Nachdem ich mir letzte Woche die alte Hauptstadt Japans angesehen habe, stand diesen Montag die erste Hauptstadt auf dem Besichtigungsprogramm: Nara, 710 bis 784 die erste ständige Hauptstadt des Landes, bis die buddhistischen Mönche es zu toll trieben (d.h. Einfluß auf die Politik zu nehmen versuchten) und Kaiser Kammu kurzerhand beschloß, mit seinem Hof wieder aus der Stadt zu verschwinden.
Die Fahrt von Osaka nach Nara dauert ca. 40 Minuten, kostet schlappe 540 Yen - und dazu kam allerschönstes Herbstwetter!!
Vom Bahnhof (der privaten Kintetsu Line) muß man nur fünf Minuten zu Fuß gehen, und schon erreicht man den Nara-koen, eine riesige Parkanlage mit jeder Menge alten Tempeln darin.

Der erste, an dem ich vorbeikam, ist der Kofuku-ji, gegründet Ende des 7. Jh., war in den folgenden Jahrhunderten auch sehr bedeutend, da von einem Mitglied der einflußreichen Fujiwara-Familie gegründet, aber als diese Familie an Einfluß verlor, nahm auch die Bedeutung des Tempels ab. Wenn ich meinen Reiseführer richtig interpretiere, muß die Anlage früher auch mal größer gewesen sein, aber die übriggebliebenen Gebäude sind schon eindrucksvoll genug.


Nein, dieses Bild ist nicht irgendwie unscharf, das täuscht - schuld sind die Kiefernnadeln. Sieht eigenartig aus, stimmts? Ist in natura aber genau so!


Eine, wenn nicht die Hauptattraktion von Nara ist der Tempel Todai-ji, gegründet 745, mit der Großen Buddha-Halle, dem Daibutsu-den. Lauter Rekorde: das größte Holzgebäude der Welt beherbergt Japans größte Buddha-Statue.
Ein paar Maße gefällig? 57,01 m breit, 50,48 m lang und 48,74 m hoch. Die ursprüngliche Halle war übrigens noch um ein Drittel größer! Aber da die alten Zeiten in Japan selten friedlich waren (und wenn doch mal Ruhe herrschte, dann gab es garantiert ein Erdbeben), ist die Halle im Verlauf der Geschichte einige Male zerstört worden. Das, was man heute bewundern kann, ist eine Rekonstruktion von 1709. Dennoch: beeindruckend, wahnsinnig beeindruckend!!


Und das ist also die größte Buddha-Statue Japans. Sie ist14,98 m hoch, allein der Kopf ist 5,41 m lang. Und ein Auge ist knapp über einen Meter lang!
Auch die Statue hat im Verlauf der Jahrhunderte arg leiden müssen: im 9. Jahrhundert fiel ihr Kopf nach einem Erdbeben ab, bei einigen Feuern sind Körperteile geschmolzen - im Grunde besteht die Statue aus einem bunten Flickenwerk, was aber überhaupt nicht auffällt.


Nach meinem Besuch im riesigen Daibutsu-den ging es ostwärts ein wenig den Berg hinauf Richtung Nigatsu-do (auf dem Foto das Gebäude oben im Hintergrund).

Von der Terrasse des Nigatsu-do hat man einen atemberaubenden Blick über Nara und vor allem natürlich die umliegenden Tempel. Und die Bäume in ihren Herbstfarben (die spektakulärsten Bilder folgen morgen).
Das hohe Dach im Hintergrund ist noch einmal der Daibutsu-den.

Hier könnt Ihr den Nigatsu-do noch einmal aus der Nähe bewundern. Natürlich ähneln sich all diese Tempel doch sehr, aber ich kann mich daran einfach nicht sattsehen!

Und schon geht es weiter zum nächsten Tempel, dem Sangatsu-do, Naras ältestem Gebäude. Hier habe ich noch einmal 500 Yen investiert, um mir die darin ausgestellten Statuen buddhistischer Gottheiten und Wächter anzusehen. Von den sechzehn Statuen stammen vierzehn aus dem 8. Jahrhundert, die beiden übrigen "nur" aus dem dreizehnten bis vierzehnten Jahrhundert. Entsprechend gehören die Hälfte von ihnen zum "National Treasure" und die anderen sind immerhin "Important Cultural Treasure".

Einen bedeutenden Shinto-Schrein gibt es natürlich auch, den Kasuga Taisha, der größte Schrein in Nara. Auch er ist über 1200 Jahre alt und umfaßt wieder ein riesiges Gelände mit vielen Möglichkeiten zu Einkehr und Gebet.

Hinter diesem Gebäude befinden sich die vier Hauptschreine, zugänglich gegen eine kleine Spende von 500 Yen, aber mit Fotografierverbot. Wer keine Lust hat, so viel zu investieren, betet halt hier: etwas Geld in den Opferstock werfen, zweimal kurz in die Hände klatschen, verneigen.


Das hier hat mich ja wirklich verblüfft: waren die Wikinger etwa auch in Japan?!

Samstag, November 19, 2005

Verpackungswahn

Ich kann mich nicht erinnern, damals in der Schule viel über Japan gehört zu haben - aber an eine aufschlußreiche Karte im Erdkundebuch (oder war es doch der Schulatlas?) erinnere ich mich. Die zeigte nämlich an, wieviel Prozent der wichtigsten Rohstoffe Japan so importieren muß. Was eine gewaltige Menge war. Fazit: Japan ist extrem rohstoffabhängig. Entsprechend habe ich dann vor zwei Monaten im "Länderbericht Japan" gelesen, daß es eigentlich erstaunlich ist, wie dieses rohstoffarme Land es innerhalb weniger Jahrzehnte geschafft hat, zu einer der größten Industrienationen der Welt aufzusteigen.
Was mich aber am meisten verwundert: wie kann ein Land, das sich seine Rohstoffe größtenteils auf dem Weltmarkt zusammenkaufen muß, nur derart verschwenderisch damit umgehen?! Man muß sich hier nur einmal ansehen, wie die Lebensmittel und sonstigen Waren in diesem Land verpackt werden - da kriegst du die Tür nicht zu, wie der Rheinländer sagt.

Beispiel Margarine: bei einem meiner ersten Besuche im Supermarkt habe ich geschlagene fünf Minuten vor dem Kühlregal gestanden und nach der Margarine (oder Butter) gesucht. Die Bilder auf der Verpackung waren nicht sehr aufschlußreich - die sahen beim Streichkäse genauso aus (Messer streicht gelbes Etwas auf Brotscheibe). Ich habe ja versucht, mich an der besonderen Verpackungsform der Margarine (Plastikbox mit Deckel) zu orientieren, wie bei Barbaras Exemplar im Kühlschrank. Irgendwann habe ich dann endlich begriffen, warum ich diese Boxen so nicht finden konnte: die Margarineboxen waren in Pappschachteln gepackt! Das muß man ja auch erst mal wissen. Immerhin hatte ich die Margarine nun doch gefunden (nachdem ich fünf Minuten lang direkt davor gestanden hatte), aber zuhause durfte ich, nachdem ich die Pappschachtel entsorgt und den Deckel der Plastikbox abgehoben hatte, erst noch die Aluminium-Schutzfolie entfernen, bevor ich an den begehrten Brotaufstrich herankam.

Beispiel Postkarten: Die Postkarten, die ich im Einzelverkauf im Osaka Castle erstanden hatte, waren jede einzeln in eine hauchzarte Plastikumhüllung gesteckt. Später habe ich dann auch Postkarten-Sets erstanden, da hatten die Hersteller auf diese Sperenzchen Gottseidank verzichtet.

Beispiel Wiener Würstchen: habe ich diese Woche zufällig im Wurstregal entdeckt. Im Kühlregal in einer etwas festeren, transparenten Plastikumhüllung. Innen drin: es sind wohl Würstchen, sie haben jedenfalls die charakteristische Form (lang und dünn), aber sie waren nicht zu erkennen - die sind alle noch mal einzeln eingewickelt.

Irre. Einfach irre. Und es ergibt einfach nur Müll.
Die Plastiktüten, die man nach dem Einkauf im Supermarkt in die Hand gedrückt bekommt (Einkaufstaschen scheinen hier weitgehend unbekannt zu sein), kann man aber wenigstens noch als Müllbeutel wiederverwerten.

Dienstag, November 15, 2005

Herbst in Kyoto

Wie an dieser Stelle schon einmal gesagt (genau eine Woche ist es her): Japan im Herbst ist einfach schön. Der Ginkgo färbt sich gelb, aber richtig gelb, anderes eher orange, rote Blätter gibt es natürlich auch, und einiges bleibt auch erst einmal grün.

Was dann in der Kombination besonders schön wirkt.

Aber auch wenn mal kein Ginkgo dazwischen ist, sieht es klasse aus.

Das, was hier so richtig rot leuchtet, ist Ahorn. Allerdings eine andere Sorte als in Deutschland, mit wesentlich kleineren Blättern.

Und obwohl es schon Mitte November ist, gibt es immer noch einige Sträucher, die noch mal schnell eine Blüte einlegen...

... während andere Früchte zu verteilen haben.

Herbst in Kyoto eben.

Montag, November 14, 2005

Ein Besuch in der alten Hauptstadt

Heute bin ich also endlich zum ersten (und nicht zum letzten Mal!!) nach Kyoto gefahren, die alte Hauptstadt Japans. Nicht alleine, sondern zusammen mit Alexis, die ihrerseits noch Arthur (auch aus New York) und Paul (aus Nordirland) mitgebracht hatte. Eine kleine lustige Runde also (auch wenn ich es nur begrenzt empfehlen kann, mit zwei Amerikanern und einem Iren loszuziehen - die drei waren manchmal wirklich nicht leicht zu verstehen...).
Von Shin Osaka, meiner Station, kommt man mit einem JR-Expreßzug für sagenhafte 540 Yen innerhalb von 25 Minuten nach Kyoto. Das ist unglaublich billig und lädt zu Wiederholungsbesuchen in der schönen Stadt ein.
Leider war das Wetter nicht so schön wie letzte Woche bei meinem Besuch von Shitenno-ji, es war kühl, etwas windig, und vor allem hatte die Sonne keine Chance gegen die Wolken. Wirklich schade! Das Herbstlaub ist wirklich wunderbar, rot und gelb (aber noch viel Grün, also vielleicht nächste Woche ...?), und hätte in der Sonne noch viel stärker leuchten können. Vor allem aber hätte ich noch schönere Fotos machen können, aber bei der Bewölkung ging der Blitz schon mittags an.
Den Shugaku-in Rikyu haben wir uns leider nicht angesehen. Der gehört nämlich der Kaiserfamilie, und da muß man, wenn man den Park und die Villa besichtigen will, sich vorher zu einer (immerhin kostenlosen) Führung anmelden. Und zwar im Voraus und bei der Imperial Household Agency neben dem alten Kaiserpalast in Kyoto. Auf deren Internetseite habe ich vor ein paar Tagen nachlesen können, daß man diese Anmeldung weder telefonisch noch per Email erledigen kann. Super.
Statt dessen sind wir dann vom Bahnhof zu Fuß in den östlichen Teil von Kyoto marschiert, der von meinem Reiseführer alsbesonders geeignet für einen Tagesausflug nach Kyoto ist. Und das stimmt auch, wie wir herausgefunden haben. Überzeugt Euch selbst:
Das ist das große Tor zur Gründerhalle vom Higashi Hongan-ji, einer riesigen Tempelanlage nicht weit vom Hauptbahnhof entfernt. Leider wird die Gründerhalle seit 1998 renoviert (die Renovierung soll zehn Jahre dauern, ich bin also ein paar Jährchen zu früh gekommen) und ist deshalb
enclosed in what looks like an enormous aircraft hangar.

Reingehen kann man aber trotzdem, man kann von der etwas kleineren Halle, der Amidahalle, in die Gründerhalle hineingehen - wenn man vorher seine Schuhe auszieht.
Übrigens ist auch die Amidahalle riesig und hat uns schon durch ihre enormen Ausmaße beeindruckt. Wir waren so etwas in Japan schon gar nicht mehr gewohnt. Und alles mit den schönen Tatami-Matten ausgelegt.
Hier ist eine Aufnahme aus dem Inneren der Amidahalle (ja, man darf dort fotografieren, ich habe extra vorher gefragt):

Vom Higashi Hongan-ji sind wir dann weiter über den Kamo-gawa in den Ostteil von Kyoto gegangen und sind dort gleich auf den nächsten Tempel gestoßen, das Otani-Mausoleum. Das hier ist der Blick von ersten Vorhof des Tempels auf das schöne hölzerne Eingangstor.


Zu dem Mausoleum gehört ein riesiger Friedhof, und wenn man dem Friedhofsweg folgt, kommt man zu einer der Hauptsehenwürdigkeiten Kyotos, dem Kiyomizu-dera, einer riesigen buddhistischen Tempelanlage (ok., die beiden anderen Tempel waren auch buddhistisch), mit einer beeindruckenden hölzernen Haupthalle, die sich in den Hügeln östlich des Stadtzentrums befindet und deren Besuch besonders zur Zeit der Kirschblüte oder der roten Ahornblätter im Herbst lohnenswert ist.

Das ist Japan!!!
Die Aussicht vom und auf den Kiyomizu-dera ist von allen Seiten überwältigend, egal bei welchem Wetter. Der Spaziergang auf dem Gelände und an den verschiedenen Tempelanlagen vorbei ist unglaublich erholsam, und da rundherum vor allem Wald ist, konnten wir seit einem Monat auch endlich einmal wieder richtig Frischluft atmen.

Auf dem Rückweg in die Stadt sind wir durch einen Seiteneingang des Kiyomizu-dera auf eine kleine, schmale Straße mit vielen Töpfergeschäften gekommen. Und wer ging da mit uns diese Straße entlang?!


Auf dem Weg nach Gion, dem Vergnügungsbezirk in Ostkyoto (nur wenige Schritte vom Kiyomizu-dera entfernt), haben wir dann noch einen Shinto-Schrein "mitgenommen". Aufgrund der späten Stunde (17:30) nur noch im Dunkeln zu besichtigen, aber da überall Lampions brannten, dennoch sehr eindrucksvoll. Und anders als die Sonne hatte der Mond auch eine realistische Chance gegen die Wolken.
Zum krönenden Abschluß des Tages sind wir dann in einem gemütlichen japanischen Restaurant eingekehrt, wo wir uns stilvoll auf Tatami-Matten hockend bei Sushi bzw. Tempura von den Anstrengungen des Tages erholt haben.

Sonntag, November 13, 2005

Record with Serge

Der erste Blick in meinen Stundenplan heute: LESSON, LESSON, REC, LESSON, LESSON, BREAK, LLESSON, LESSON, LESSON. REC? Was, um alles in der Welt, ist REC?!
REC, erklärte mir eine Kollegin, bedeutet Record. Aha. Was für ein Record?
Also: es geht um die neuen Unterrichtsmaterialien. Die "Engländer" haben die neuen, überarbeiteten Materialien bereits, und wir werden sie hoffentlich auch bald bekommen. André ist da sehr zuversichtlich, daß es nicht mehr lange dauert. ("Was heißt 'nicht mehr lange'? In einem Jahr oder in zwei Jahren?", fragt eine langjährige Kollegin. André hofft auf das nächste halbe Jahr.) Und für diese neuen Materialien müssen die Dialoge neu aufgenommen werden, und es werden noch Leute gesucht, die die tollen neuen Dialoge (mal ehrlich: kann sich irgendjemand an einen intelligenten Dialog in einem Fremdsprachenlehrbuch erinnern?!) sprechen. Die sollen wohl auch als CD zum Lehrmaterial verkauft werden.
Jedenfalls sollte ich testweise ein paar Dialoge sprechen, zumindest jeweils eine Rolle aus dem Dialog. Im standby room in der 15. Etage wurde ich von Serge abgeholt, einem Franzosen mittleren Alters, der schon einige Jahre bei Nova arbeitet. Meine Stimme gefällt ihm - keine Klicks (Schnalzgeräusche, die manche wohl beim Sprechen produzieren und nur auffallen, wenn man die Stimme von einer CD hört, und nerven, wenn man dieser Stimme längere Zeit zuhören muß - und die er zwar am Computer aus der Aufnahme entfernen kann, aber nur mit extrem hohem Zeitaufwand). "Did you realize, that I have a little problem with my 's'?" Nein, mein Lispeln ist ihm nicht aufgefallen. Gut, in den Stunden (und bei der Aufnahme) spreche ich ja immer extra langsam und deutlich, damit die Schüler mich auch verstehen, und da kann ich mich auch mehr auf meine "s" konzentrieren als in einer normalen Unterhaltung. Serge war nach den Aufnahmen sehr zufrieden, und wenn Robin, der deutsche Obertrainer, meine Stimme auch gefällt, dann wird das wohl nicht mein letzter REC gewesen sein.
Aber jetzt hat erst einmal mein Wochenende begonnen!! Und ich fahre morgen mit Alexis (aus New York) nach Kyoto. Und wenn wir uns verlaufen, dann wissen wir schon, was wir dann machen müssen: Steve und David waren vor anderthalb Wochen in Nara und haben sich auf dem Rückweg zum Bahnhof verlaufen. Keiner von beiden spricht Japanisch - was tun, wenn man die Leute nicht versteht? Die beiden erinnerten sich, an einer Nova-Filiale vorbeigekommen zu sein (Nova ist in Japan wirklich allgegenwärtig: Reklame in der U-Bahn und im Fernsehen, ein dichtes Netz von kleinen Filialen, ...), gingen dahin zurück, marschierten durch die Tür und sagten: "Hello, we work in the Osaka office. How do we get home?"

Freitag, November 11, 2005

Kanji und Käsekuchen

Dienstag habe ich meine erste Japanischstunde gehabt. Barbara hatte mir von dem Osaka Municipicial Learning Centre im OCAT-Gebäude (direkt neben dem MMC) erzählt, wo jeden Dienstag von 10 bis 12 Japanischunterricht angeboten wird. Die Lehrer sind allesamt Freiwillige, deshalb kostet das ganze auch bloß schlappe 200 Yen im Monat.

Die Stunde war so weit in Ordnung, ein bißchen Japanisch kann ich ja schon, und was in dieser Stunde dran kam, war für mich praktisch eine Wiederholung plus etwas neues Vokabular („Wie heißen Sie?“ „Woher kommen Sie?“ „Was ist das?“).

Zusätzlich habe ich mir in einer großen Buchhandlung in Umeda ein Japanischlehrbuch angeschafft, das wie mein deutsches auch von Anfang an mit den japanischen Schriftzeichen arbeitet und überdies ab Lektion 3 in jeder Lektion ca. 15 Kanjis einführt, inklusive Schreibanleitung. Dazu habe ich mir noch ein kleines Büchlein gegönnt, „Kanji Starter“, in dem etwas über 200 einfache und elementare Kanjis vorgestellt werden. Zuerst allerdings immer nur mit einer Bedeutung, denn das gemeine bei den Kanjis ist, daß sie je nach Kontext unterschiedliche Bedeutungen haben und auch unterschiedlich ausgesprochen werden.

Heute habe ich ein wichtiges Kanji „gelernt“: das Zeichen für Salz. Ich wollte nämlich meinen Ofen ausprobieren und Käsekuchen backen (Sonntag hat Barbara Geburtstag), und suchte zu diesem Zweck Butter oder Margarine ohne Salz. Die Frühstücksmargarine, die ich neulich gekauft hatte, ist salzig, und Elisa meinte heute auf Anfrage, daß Butter und Margarine in Japan tatsächlich meistens gesalzen sind. Da stand ich also mit meinem Wörterbuch bewaffnet über fünf Minuten vor dem Kühlregal mit den Milchprodukten und studierte die Rückseiten der zahlreichen Butter- und Margarine-Packungen. Endlich hatte ich eine gefunden, auf der ich das Kanji für „Salz“ nicht finden konnte. „Hokkaido Butter“, tatsächlich salzfrei.

Das nächste Problem: Quark. Magerquark. Steht nicht im Wörterbuch. Letztlich habe ich dann halt zwei Packungen Frischkäse einer auch in Deutschland wohlbekannten Marke erstanden. Vanillezucker konnte ich auch nicht entdecken, wohl aber ein Fläschchen mit flüssigem Vanillearoma.

Mein Hauptproblem war es ja übrigens erst einmal, daß ich Intelligenzbestie das Rezept für den guten Käsekuchen in Deutschland vergessen habe und mir daher erst alles mühsam aus dem Gedächtnis rekonstruieren mußte. Und dann alle Zutaten durch zwei teilen, weil der Ofen und daher auch die Kuchenform so wahnsinnig klein sind. Und wegen der Zeitverschiebung konnte ich auch nicht bei meinen Eltern anrufen. Email fiel auch aus, da hätte ich mich frühestens morgen drum kümmern können, und da muß ich schon um 15:10 wieder im MMC auf der Matte stehen (und zwar tunlichst rechtzeitig vorher, damit ich meinen Stundenplan einsehen und die Lektionen planen kann), und da ich abends spät ins Bett komme, stehe ich eben auch erst spät auf. Und Sonntag hat Barbara ja schon Geburtstag.

Der Ofen funktioniert jedenfalls, und der Kuchen riecht gut. Fünf Minuten weniger hätten es vermutlich auch getan, er sieht jetzt etwas dunkel aus, aber das ist nicht weiter tragisch. Ich hoffe nur, daß es kein Klitschkuchen geworden ist. Aber das sehen wir erst am Sonntag.

Donnerstag, November 10, 2005

Stereotype und ihre Ausnahme

Japaner sind höflich, das ist allgemein bekannt und stimmt auch - mit einer einzigen Ausnahme:
Obwohl in der U-Bahn sogar Schilder aushängen, denen zu entnehmen ist, daß die Sitze vorrangig für Alte, Behinderte, Frauen mit Kindern und schwangere Frauen gedacht sind, sollte man als Frau nie damit rechnen, von einem Kavalier einen Sitzplatz angeboten zu bekommen.
Dasselbe gilt auch, wenn man wie Begemot mit einem Ofen auf dem Arm (plus einer schweren Tüte) in öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist. Ich mußte vier Stationen mit dem Ofen (den ich lediglich auf einer Art Sims notdürftig abstützen konnte, so daß ich mich auch noch an einer Haltestange festklammern konnte) auf dem Arm warten, bis ein Platz frei wurde! Man sollte meinen, daß sich doch zumindest einer der anderen Passagiere denkt: da muß sich eine junge Frau mit dem Ofen und der großen Tüte abschleppen, da biete ich ihr doch besser meinen Platz an. Von wegen!
(Ein kleiner Trost: alten Frauen geht es auch nicht besser. Das muß mit der allgemeinen Geringschätzung der Frau in Japan zu tun haben.)
Aber: ich habe es überlebt, der Ofen steht jetzt auf unserem Küchentisch und harrt seiner Inbetriebnahme (by the way: hat schon mal jemand versucht, jemandem dieses Wort zu erklären?!).
Übrigens ist der Ofen gar nicht schwer, sondern nur etwas sperrig - wenn man ihn auf dem Arm trägt. Die Tüte war schwer.
Ofen und schwere Tüte habe ich gestern von Patrice erworben, einem zukünftigen Ex-Nova-Instructor, der seinen Haushalt auflöst und einen entsprechenden Anschlag am Schwarzen Brett im MMC angebracht hat. Ein kleiner Elektroofen für 5000 Yen - klar war ich interessiert! Nur hatte sich schon jemand anderes vor mir gemeldet und daher den Zuschlag bekommen. Dieser Jemand hat es sich dann aber anders überlegt und ich konnte ihn doch kaufen. Für weitere 1000 Yen habe ich dann noch ein elektrisches Handrührgerät (was auf Englisch übrigens "electric whip" heißt - für "whip" habe ich in meinem Uralt-Wörterbuch nur "Peitsche" gefunden: Engländer peitschen den Teig also, anstatt ihn zu rühren...) plus eine kleine Waage und diverse winzige Kuchenformen erstehen können. Die befanden sich in der Tüte. Und die machte die ganze Angelegenheit kompliziert, weil ich eigentlich beide Hände brauchte, um den Ofen zu halten, aber an einer Hand zusätzlich die Tüte baumeln hatte.
Wenn ich heute nicht wieder Überstunden geschoben hätte, hätte ich heute wohl den Ofen ausprobiert und einen kleinen Kuchen gebacken. Und zwar nur einen kleinen, denn schon eine normalgroße TK-Pizza von einem weltbekannten Lebensmittelkonzern aus Bielefeld würde nicht hineinpassen. Aber: es ist ein Ofen!!

Montag, November 07, 2005

Shitenno-ji

Wochenende! Dieses Mal stand der Tempel Shitenno-ji auf dem Programm, die zweite große Attraktion von Osaka nach Osaka Castle (und, genau wie letzteres, eine Rekonstruktion aus Beton).
Shitenno-ji ist der erste staatliche buddhistische Tempel Japans und daher auch besonders wichtig. Und es ist auch der erste buddhistische Tempel, den ich in meinem Leben besucht habe. Und es wird garantiert nicht der letzte gewesen sein.

Die Architektur von Shiteeno-ji ist beeindruckend, allein schon die fünfstöckige Pagode im Zentrum ist einen Besuch wert. Wenn man die 300 Yen bezahlt hat, um in den Innenbereich des Tempels gehen zu können ("Are you a student?" fragte mich die nette Ticketverkäuferin - leider nein, sonst wäre ich für 200 Yen reingekommen), kann man den großzügigen Innenhof mit einer riesigen, sorgfältig geharkten Kiesfläche bewundern. War das jetzt mein allererster Zen-Garten? Keine Ahnung. Liegen in Zen-Gärten nicht immer auch irgendwelche sorgfältig arrangierten Steine herum?

Zen-Garten oder nicht: die Ruhe, die dieser Ort ausstrahlt, ist überwältigend. Der Straßenlärm ist zwar im Hintergrund immer vorhanden, aber er stört nicht. "Ruhe" ist ja nicht unbedingt gleichzusetzen mit "Stille". Die ganze Atmosphäre strahlt eine einzige Ruhe aus, es ist unglaublich friedlich, im Hintergrund wird in regelmäßigen Abständen eine große Gebetsglocke geschlagen - herrlich!!
Ich mag diese Fahnen! Es sieht sooooo schön aus, wenn sie leicht im Wind flattern. Warum gibt es so was nicht in Deutschland?!

Freilaufende Schildkröten im Teich von Shitenno-ji!!
(Elisas Kommentar zu diesem Foto: "I hope they won't eat them!")

Am Rand des riesigen (o.k. - für japanische Verhältnisse riesig) Geländes waren mehrere solcher Gebetsplätze (? es gab leider keine englischen Erklärungen). Aber wer sind diese freundlichen Gestalten auf den Felsen?


Man kann vermutlich in jedem Reiseführer nachlesen, daß der Herbst die beste Zeit für Reisen in Japan ist. Zum einen natürlich wegen der Farben (Ginkgos werden übrigens so richtig gelb - das kommt hier jetzt bloß nicht so gut rüber). Für nächsten Montag habe ich mir eine Fahrt nach Kyoto vorgenommen, um den berühmten Park von Shugaku-in Rikyu in herbstlichen Farben zu besichtigen. Drückt mir die Daumen, daß ich wieder so ein Glück mit dem Wetter habe wie heute.
Das ist nämlich der zweite Grund dafür, warum man am besten im Herbst nach Japan fährt:
Wir schreiben heute den 7. NOVEMBER , und ich war ohne Jacke unterwegs!!

Donnerstag, November 03, 2005

Dienstleistungsgesellschaft

Service wird in Japan sehr groß geschrieben, das kann man so ziemlich überall nachlesen, in den Infobroschüren von Nova beispielsweise. Pünktlichkeit wird vorausgesetzt, ein höflicher und freundlicher Umgang mit dem Kunden verstehen sich von selbst. Deshalb wurden wir auch bei der Orientation und im OJT regelmäßig darauf hingewiesen, immer pünktlich zu sein, bis zu einer bestimmten Deadline anzurufen, wenn man aus irgendeinem Grund mal nicht zur Arbeit erscheinen kann (z.B. weil man am Abend vorher Sushi ausprobiert hat). Ansonsten gibt es Lohnabzug. Wenn der Zug Verspätung hat (was sehr selten vorkommt, bei den öffentlichen Verkehrsmitteln ist Pünktlichkeit ist die höchste Tugend), kann – und muß – man beim Stationsaufseher ein Entschuldigungsschreiben erhalten.

Übrigens, die Züge. Verspätungen habe ich noch nicht erlebt, die Züge sind sauber – da könnte sich die Deutsche Bahn AG mal eine Scheibe von abschneiden! Aber was mich am meisten beeindruckt, sind die gelben Linien längs der Bahnsteige. In regelmäßigen Abständen haben diese Linien kleine Ausbuchtungen. Das sind die Markierungen für die Türen. Es ist wirklich fantastisch: die Züge sind nicht nur pünktlich, sie werden auch so exakt zum Halten gebracht, daß die Zugtüren sich vor diesen Markierungen befinden! Entsprechend stellen sich die Japaner (und ich habe es inzwischen auch kapiert) in Zweierreihen vor diesen Markierungen auf und warten diszipliniert, bis sich die Türen öffnen, treten dann einen Schritt zur Seite, um die Leute zunächst aussteigen zu lassen, und steigen dann ebenso diszipliniert ein. Gedrängelt wird nicht, und die Ellenbogen kommen auch nicht zum Einsatz.

Ebenso zuvorkommend wird man als Kunde in einem Geschäft behandelt, an der Kasse beispielsweise. Der Kunde legt sein Geld in eine kleine Schale, aber das Wechselgeld gibt der Kassierer dem Kunden direkt in die Hand. Dabei werden zuerst die Scheine überreicht, danach das Münzgeld und der Kassenbon (ja, auch der wird nicht einfach auf den Tresen geknallt!). Beim Papiergeld läuft das so ab: der Kassierer nimmt die betreffenden Anzahl Scheine aus der Kasse und zählt sie dann vor dem Kunden noch einmal ab, indem er sie so aufblättert, daß der Kunde mitzählen kann. Außerdem zählt der Kassierer laut. Ich kann mich also mit zwei Sinnen davon überzeugen, vom Kassierer nicht betrogen zu werden. Anschließend bekomme ich die Scheine vom Kassierer mit beiden Händen überreicht. Ihr erinnert Euch, was ich über die korrekte Übergabe einer Visitenkarte herausgefunden hatte? Höherstehenden Personen überreicht man die Visitenkarte mit beiden Händen. Mit dem Münzgeld wird unterschiedlich verfahren, je nachdem, um wie viele Münzen es sich handelt. Im Idealfall übergibt der Kassierer auch die Münzen mit beiden Händen, indem er sie auf den Kassenbon legt.

Am Sonntag nachmittag, als Angelica und ich gerade im MMC angekommen waren, haben wir im standby room ein Schauspiel der besonderen Art erlebt: die Getränkeautomaten wurden aufgefüllt. Zwei Arbeiter kamen herein, jeder schob einen Karren mit Getränkekartons vor sich her, und gingen zielstrebig auf die Automaten zu. Dann ging es los: blitzschnell wurden die Automaten geöffnet (jeder nahm sich einen vor), und ruckzuck wurden die Kartons aufgerissen und die Flaschen und Getränkedosen in atemberaubender Geschwindigkeit in die Automaten geworfen. Die Jungs hatten ein Tempo drauf, als ob der Leibhaftige hinter ihnen hergewesen wäre. Wenn ich mich in demselben Tempo nach den Kartons gebückt und wieder aufgerichtet hätte – mir wäre schwindelig geworden. Es dauerte keine fünf Minuten, da waren die Automaten wieder aufgefüllt und die beiden Arbeiter verschwunden. Irre!!

Als ich aus Moskau nach Deutschland zurückkam, war ich in den Geschäften über die Freundlichkeit der Verkäufer geschockt. Wenn ich aus Japan zurückkomme, wird der Schock etwas anders ausfallen...

Mittwoch, November 02, 2005

Osaka Castle, zweiter Ver-/Besuch

Kann man wirklich so viel Pech haben?! Da freue ich mich heute vormittag noch ausgiebigst über den strahlend blauen Himmel und die Tatsache, daß ich nur eine halbe Schicht arbeiten muß, also nachmittags noch Zeit habe, erneut zu Osaka Castle zu pilgern, und dann sehe ich heute nachmittag nach Feierabend aus dem riesigen Fenster des stand by room vom MMC, und was ist? Alles bedeckt!! He, wo ist die Sonne hin?!
Nichts desto trotz bin ich wieder zur Burg hingefahren, aber ich bin nicht wieder in den Turm rein. So dolle war die Ausstellung nun auch wieder nicht, und nur für einen bedeckten Himmel bei mäßiger Sicht wollte ich nicht 600 Yen investieren. Man kann auch so schöne Fotos machen. Aber einen blauen Himmel wie gestern hätte ich mir schon gewünscht.
Egal. Ist die Burg nicht wunderschön?

Der dunkle Teil ganz unterm Dach, der hier optisch etwas aus dem Rahmen fällt, ist der achte Stock mit der Aussichtsplattform. Wo ich gestern drauf war (es gibt zwar auch einen Fahrstuhl, aber ich bin - man tut ja sonst nix für seine Gesundheit - die Treppen raufgekeucht), die Aussicht über Osaka genossen und mich wieder über den leeren Akku geärgert habe.

Aber wie ich heute festgestellt habe, muß man nicht unbedingt auf den Turm rauf, um einen Überblick über Osaka zu bekommen. Ein kleiner Bummel auf dem ehemaligen inneren Festungsring tut's auch.
Und nach einer etwas längeren Weile zeigte sich auch die Sonne wieder - leider nur kurz.


Ich habe heute übrigens meine erste Überstunde abgeleistet - gestern abend kam ein Anruf von LS (Language Service - die sind für alles zuständig, was mit dem Unterricht und uns Lehrern zu tun hat), ob ich bereit wäre, eine Überstunde zu machen. Dazu mußte ich heute bloß eine Unterrichtsstunde mehr machen und schon um 10:00 statt 10:50 anfangen. Also warum nicht? Zumal diese eine Stunde extra bezahlt wird.
Ich vermute mal, daß einer aus der kleinen deutschen Gruppe krank geworden ist (Wiebke, die diese Woche anfängt, mitgerechnet, sind wir genau 29 Lehrer), und jetzt schnell Ersatz für seine Stunden gefunden werden mußte.