Mittwoch, Juni 28, 2006

Eine Nacht im Tempel

Kurz angekündigt hatte ich es schon mal: letzte Woche sind Angelica und ich für zwei Tage nach Kōya-san gefahren. Das ist einer der heiligsten Berge Japans. Auf 800 Metern befindet sich dort ein Tal, das von acht Gipfeln umgeben ist. Diese sollen den acht Blütenblättern einer Lotusblüte ähneln. Vor allem aber ist Kōya-san das Zentrum der buddhistischen Shingon-Sekte. Neben dem Haupttempel, dem Kongōbu-ji, gibt es in Kōya-san noch über hundert weitere Tempel und Klöster, die dieser Sekte angehören. Über 50 dieser Tempel sind shukubō, d.h. Pilger (und Touristen) können hier übernachten - stilvoll in einem Tatami-Zimmer mit Abendessen, Morgengebet und Frühstück inklusive. Vor allem deswegen sind wir dorthin gefahren. Es gibt Dinge, die sollte man einfach mal gemacht haben, wenn man für längere Zeit in Japan ist. Der zweite Grund war, daß es auf 800 Metern etwas kühler ist als in der küstennahen Betonwüste.

Die Anreise war schon toll: zunächst ging es mit dem Express in gut anderthalb Stunden von Namba nach Gokurakubashi, und von dort mit einer Seilbahn den Berg hinauf. Es dauerte eine Weile, bis wir die dicht besiedelte Kansaiebene hinter uns gelassen hatten, aber irgendwann waren die Berge erreicht, es ging durch einen Tunnel - und plötzlich waren wir in einer anderen Welt. Viel weniger und vor allem kleinere Häuser, anfangs noch das eine oder andere Reisfeld, viel Wald und noch mehr Bäume. Gokurakubashi schließlich entpuppte sich als Ministation mitten in der Pampa, wo es außer zwei Gleisen und der Seilbahnstation nichts zu geben scheint. Bilder davon gibt es später, heute erzähle ich vor allem von unserem shukubō.


Das ist der Fukuchi-in, einer der zahlreichen shukubō und unsere Unterkunft für eine Nacht. Wunderschön ruhig und friedlich, mit liebevoll gepflegten kleinen Gärtchen und Koi-Teichen in allen Ecken.


Gut bewacht ist er auch, und das ist auch nötig, denn "This room is no key", wie der Mönch erklärte, der uns unser Zimmer zeigte. Aber hier in Japan wird ja eh nicht geklaut. Außerdem gab es einen kleinen Safe im Kleiderschrank.


Mittags kamen wir an, bekamen kurz den Tempel gezeigt (während unsere Taschen schon in unser Zimmer gebracht wurden - das ist Service!), vereinbarten die Abendessen- und Frühstückszeiten, und dann machten wir uns daran, die Sehenswürdigkeiten von Kōya-san zu erkunden.

Abendessen wurde um 18:30 auf unserem Zimmer serviert. Alles vegetarisch, da wir uns ja in einem buddhistischen Tempel befanden, und sehr, sehr lecker.


Auf dem Bild trage ich einen Yukata, einen leichten Baumwollkimono, der vom Tempel bereitgestellt wurde. Sehr angenehm und überhaupt nicht warm, wie Angelica argwöhnte (oder als Ausrede benutzte, denn sie hat ihren nicht angezogen). Als wir mit dem Essen fertig waren, wurden die Tabletts rausgeräumt und anschließend zwei Futons für die Nacht auf dem Boden ausgebreitet.


Wir suchten uns dann eine der Sitzecken mit Blick auf einen der Gärten aus, um noch eine Weile zu lesen, bevor wir sehr früh schlafen gingen, denn das Morgengebet um 6 Uhr wollten wir auf keinen Fall verpassen.
Vorher hatte ich mich noch gefragt, wie die Mönche das im Zeitalter vor der Erfindung des Weckers immer geschafft haben, nicht zu verschlafen. Jetzt weiß ich es: sie haben einfach die dünne Matratze unter dem Futon weggelassen. War das hart!!
Das Morgengebet fand in der "Haupthalle" des Tempels statt. Die Gäste (nicht alle waren gekommen) hockten, von den Mönchen (ich habe vier Männer und eine Frau gezählt) durch eine kleine Absperrung getrennt, auf den Tatamimatten und lauschten. Wir haben kein Wort verstanden, hatten keine Ahnung, was passierte, aber schön war's. In der Luft der leichte Geruch von Räucherstäbchen, dazu die Gebete der Mönche - eine einzigartige Erfahrung. Ich kann es jedem, der nach Japan kommt, nur empfehlen, das einmal mitzumachen.
Eine Enttäuschung gab es allerdings: die alltäglichen Gebete waren beendet, da griff sich der Abt ein Mikrofon und wandte sich in einer kleinen Rede an die Gäste. Da war die ganze schöne Stimmung zerstört. :-(

Danach zogen wir uns wieder auf unser Zimmer zurück, aus dem unsichtbare Geister die Futons schon wieder weggeräumt hatten, packten unsere Siebensachen zusammen und warteten auf das Frühstück. Fröstelnd, denn das Zimmer hatte keine Fensterscheiben (im Winter setzen sie hoffentlich was in die Fenster, um die Kälte abzuhalten) und war entsprechend frisch. Da hatte ich die Jeansjacke doch nicht umsonst mitgenommen.


Aber kurz vor 8 Uhr kam schon das Frühstück, mit heißen Suppen und Tee, da wurde uns von innen wieder warm. Um 9 Uhr war es Zeit, auszuchecken, aber wir konnten unser Gepäck noch im Tempel stehenlassen, während wir noch die letzten Sehenswürdigkeiten auf unserer Liste abklapperten.

Und was für Sehenswürdigkeiten es in Kōya-san gibt, erzähle ich ein anderes Mal.

Keine Kommentare: