Hier in Japan begann der Test an allen Prüfungsorten um 9:45, während Leute anderswo ausschlafen durften. Ich hatte Glück, daß ich in einem Ballungsraum wohne, wo man die Chance hat, einem von seinem Wohnort nicht allzu weit entfernten Prüfungsort zugeteilt zu werden. Für Ellie und mich war das die Ōsaka Keizai Daigaku (Ōsaka University of Economics), zu der es tatsächlich nicht übermäßig weit ist.
Im Sommer, als ich das Anmeldeformular erwarb (da muß man tatsächlich schon Geld für bezahlen!), war in dem Umschlag auch ein Application Guide enthalten. Mit allerlei nützlichen Hinweisen, wie man das Formular auszufüllen und abzuschicken hat, wie der Test abläuft, wie die Fristen sind, usw. usf. In dem Abschnitt um den Test gibt es eine Menge Dinge, die verboten sind. Selbstverständlichkeiten wie die, daß man bitte kein Handy mitnehmen soll, nicht schummeln darf, daß man einen Bleistift (HB), aber keinen Kugelschreiber oder so benutzen soll, beispielsweise.
Dann gibt es aber noch die allgemeinen Verhaltenshinweise:
Note 2: Directions to the test site will be provided on your test voucher. If additional directions are needed, find out the information on your own or ask an acquaintance for assistance. Do not telephone the venue university for directions.
(...)
Note 4: Do not go to the test site by car. There are no parking spaces for cars or bicycles at the site. Do not park illegally near the site. The site office does not provide information on places to park.
(...)
Note 6: Keep the toilets, rooms, and corridors clean. Do not smoke outside the designated smoking areas.
Note 7: Do not leave any trash at or near the test site. Take back any trash with you.
Note 8: Be considerate of the local residents and keep quiet when traveling to and from the test site.
It has become increasingly difficult to secure test sites as a result of bad manners of examinees who discard the cigarette butts, litter, or park illegally at the test site and its vicinity. Such misbehaviour is subject to penalty.
Zu Nummer 2 ist mir nur der alte Spruch des Mathelehrers eingefallen, "Erster Teil der Aufgabe ist Verstehen der Aufgabe", oder besser gesagt: "Erster Teil des JLPT ist das Finden des Prüfungsortes." Überflüssig zu sagen, daß die kleine Karte auf dem Test Voucher durchaus Optimierungspotential besessen hätte.
Weder Ellie noch ich besitzen ein Auto, das wir frech im Parkverbot hätten abstellen können, und so sind wir mit dem Zug gefahren. Das ist hier sowieso das bequemste Fortbewegungsmittel. Und so trafen wir uns - beide unausgeschlafen - um kurz vor acht in Umeda, um gemeinsam mit der Hankyu Line die fünf Stationen zum Prüfungsort zu fahren.
Um die Uhrzeit war noch nicht viel los. Entsprechend ruhig war es, von einer kleinen Streichermelodie auf dem Bahnsteig abgesehen. Die kam mir bekannt vor, ich spitzte die Ohren, und tatsächlich: die Lautsprecher spielten "Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen". Das ist eines der schönsten deutschen Weihnachtslieder, ich mag es sehr gerne und es klang auch wirklich nicht schlecht. Aber trotzdem möchte ich es nicht auf einem Bahnsteig vorgespielt bekommen, und schon gar nicht auf einem japanischen Bahnsteig! Als nächstes war dann "Rudolf, The Red-Nosed Rendeer" an der Reihe. Das klang schon weniger gut.
Vom dem kleinen Bahnhof waren es laut Karte noch ungefähr 15 Minuten zu Fuß. Kam auch hin. Dennoch hätten ein paar eingezeichnete Landmarken mehr nicht geschadet.
Inzwischen war es kurz nach halb neun (um diese Uhrzeit wurden die Tore geöffnet), und außer uns bewegten sich noch viele andere Leute alleine oder in kleinen Grüppchen in dieselbe Richtung. Einige unterhielten sich (Ellie und ich selbstverständlich auch), aber natürlich nur in normaler Lautstärke. Nicht, daß die armen Anwohner noch gestört werden.
Bald kamen wir an der Universität an, und was mußten wir als erstes sehen? Mehrere Japaner standen mit Lautsprechern bewaffnet auf der Straße und gaben in kurzen Abständen brüllend Richtungsanweisungen für die Prüfungsräume durch. Soviel also zum Thema "Rücksichtnahme auf die Anwohner, die am Sonntagmorgen vielleicht endlich einmal ausschlafen möchten".
Merke: Krach ist in Ordnung, wenn Japaner ihn verursachen. Aber wehe, ein böser Ausländer wagt es, am Sonntagmorgen auf der Straße laut zu lachen! Da kennt man hier keinen Spaß!
Das hier war "meiner". Mein Prüfungsraum war in Gebäudeteil B (auf dem unteren Bild rechts), Ellies in G. Da ihr Test außerdem länger dauerte als meiner, haben wir uns dann an dieser Stelle verabschiedet und uns noch viel Glück und Erfolg für den Test gewünscht.
Das Universitätsgebäude ist ein relativ ansprechender, modern wirkender Bau. Und es war nicht geheizt.
Der Ablauf des Tests (alles Multiple-Choice-Fragen) sah nun folgendermaßen aus:
1. Schreiben/Wortschatz von 9:45 bis 10:25. Den Teil fand ich sehr einfach.
2. Höraufgaben von 11:05 bis 11:50. Muzukashii!* Bei den letzten Aufgaben habe ich gar nichts mehr verstanden und einfach irgendwas angekreuzt.
3. Lesen und Grammatik von 12:50 bis 13:55. Nicht ganz so leicht wie der erste Teil, war aber machbar.
Zum Bestehen des Tests reichen 60% richtige Antworten (die falschen werden nicht gezählt), und die dürfte ich wohl geschafft haben. Aber die Ergebnisse gibt es erst ab Mitte Februar. An dieser Stelle dann ein herzliches Dankeschön an alle, die mir die Daumen gedrückt haben!
Von den Prüfungszeiten entfielen übrigens jeweils 15 Minuten auf Ermahnungen, Belehrungen und das Austeilen der Prüfungsunterlagen. In dem großen Hörsaal, in dem mit mir zusammen noch etwas über hundert weitere Prüflinge über ihren Fragebögen brüteten, waren vier japanische Mitarbeiter zur Aufsicht da. Zwei Männer und zwei Frauen. Der ältere der beiden war der Prüfungsaufseher, der Anfang und Ende der eigentlichen Prüfungszeit bekanntgab und bei Bedarf gelbe Karten an Prüflinge austeilte, die sich in irgendeiner Form daneben benommen hatten. Die rote Karte (wie im Fußball: Platzverweis) brauchte er nicht.
Die anderen drei verteilten die Fragebögen und die Hefte mit den Testaufgaben, kontrollierten die Tische (jeder Prüfling hatte einen festen Platz mit seiner Prüfungsnummer) bzw. was darauf lag und patroullierten während des Tests die Gänge auf und ab. Der Prüfungsaufseher stand die praktisch die ganze Zeit über vorne an seinem Pult und sah vor lauter Wichtigkeit so aus, als hätte er einen Besenstiel verschluckt.
Während des Tests durften sich nur wenige Dinge auf den Tischen befinden: Bleistifte, Radiergummis und der Voucher mit Name und Prüfungsnummer. Von dem Radiergummi mußte ich sogar die kleine Schutzhülle mit dem Shinkansen-Motiv abnehmen und in die Tasche stecken. Das sah mir, ehrlich gesagt, schon ein bißchen nach Paranoia aus. Wenn ich mir da was reingeschrieben hätte, hätte ich eine riesige Lupe gebraucht, um das anschließend noch entziffern zu können. Und das wäre mit Sicherheit aufgefallen. Na ja.
Vor Beginn jeder einzelnen Prüfung sagte eine Stimme vom Band durch, was man alles während des Tests NICHT machen dürfe und welches die Strafen dafür seien. Gelbe Karte oder rote Karte. Der Prüfungsaufseher zog bei dem Sermon die entsprechende Karte aus seiner Tasche und schwenkte sie mit ernster Miene würdevoll hin und her. Schwer, da nicht zu lachen.
Anschließend mußten alle ihre Handys vorzeigen (die eigentlich keiner hätte mitbringen dürfen), und die drei Unteraufseher kontrollierten bei jedem einzelnen, ob es auch wirklich aus war. Bei mir gab es da nichts zu kontrollieren, ich habe mein Handy gestern abgemeldet, die letzte Rechnung bezahlt und das Gerät dann zur ordnungsgemäßen Entsorgung im Laden abgegeben.
Danach durften wir endlich mit dem Test beginnen. Die Zeit war jedesmal gut bemessen. Zwischen jedem Test gab es eine kurze Pause, in der ich mein mitgebrachtes Mittagessen (Onigiri und Orangensaft) verzehrte, um mich für die nächste Aufgabe zu stärken. Den dabei entstandenden Müll habe ich gemäß der Vorschriften nicht in einen der zahlreichen Mülleimer in der Universität geworfen, sondern in der kleinen Plastiktüte vom Kombini aufbewahrt. Und auf dem Rückweg zum Bahnhof einfach in einem Mülleimer an einer Bushaltestelle (an sich schon eine erwähnenswerte Tatsache, denn öffentliche Mülleimer sind in diesem Land eine wahre Rarität!) entsorgt. ;-)
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* Schwierig!
3 Kommentare:
Hört sich doch insgesamt sehr gut an.
Ich drück dann mal für die Ergebnisse beide Daumen!!!
Das beruhigt mich jetzt, dass Dir der Hörverständnisteil auch so schwer gefallen ist :) Ich dachte mir würde es einfach an Übung fehlen - mangels Möglichkeiten japanisch zu sprechen/hören. Aber wenn Dir das auch schwer gefallen ist, dann war es wohl wirklich schwierig :)
Wir hatten ganz kleine Prüfungsgruppen und jeweils zwei Aufpasser, die aber genauso wichtig hin und her schritten ;) Die haben ihre Anweisungen aber vor jedem Testteil vorgelesen.
Krass fande ich auch, dass ein Teilnehmer ganz alleine geprüft worden ist. Ob der mal beim Schummeln erwischt worden ist?
Na ja, offen gestanden: sooo viel Japanisch habe ich hier nicht gesprochen. Auf der Arbeit war Englisch die Umgangssprache. Da hätte ich mit irgendwelchen Höraufgaben überhaupt keine Probleme. ;-)
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