An meinem letzten Urlaubstag habe ich es ruhig angehen lassen, bin etwas später aufgestanden (aber auch nicht zu spät, denn Frühstück gab's nur bis neun) und bin erst um kurz vor zehn losgezogen. Den Koffer konnte ich noch im Hotel lassen.
Nachdem ich es am Montag aufgrund widriger Umstände nicht in den Heiwadai-kōen geschafft hatte, bin ich am Donnerstag auf Nummer sicher gegangen und habe den direkten Bus dorthin genommen. Die Endhaltestelle lag mitten in einem seeehr ruhigen Wohngebiet, aber der Busfahrer hat mir den richtigen Weg zum Parkeingang gezeigt. Dort mußte ich dann nur eine kleine Treppe hoch, und dann stand ich schon vor dem Andenkengeschäft und Restaurant des Parks. Ein paar Schritte weiter befand sich schon der Friedensturm.
Mein Reiseführer bezeichnet ihn als "rather Stalinist". Damit haben die Autoren nicht so ganz unrecht. Neben das Hauptgebäude der MGU würde er optisch auch ganz gut passen. Ein kleines bißchen älter ist dieser Turm allerdings. Er wurde schon 1940 gebaut, und die Steine kamen aus aller Welt. Den schönen Namen hat der Turm dann aber erst nach dem Krieg verpaßt bekommen.
Wirklich schön ist er nicht, und so bin ich gleich weiter gegangen. Ich wollte endlich den Haniwagarten sehen. Ich erwähnte es bereits, Haniwa sind Tonfiguren, die im 4. Jahrhundert bei und in japanischen Hügelgräbern aufgestellt wurden.
Im Haniwagarten hat man nun zahlreiche Kopien von Haniwa zwischen den Bäumen aufgestellt. Schöne Idee. Im Schatten der Bäume wirken die teilweise moosbewachsenen Tonfiguren schon ein bißchen unwirklich. Das ist viel eindrucksvoller, als sich die Originale im Museum bei Kunstlicht anzusehen. Hier sind es wirklich Relikte aus einer längst vergangenen Zeit (und daß es "nur" Kopien sind, tut dem keinen Abbruch).
Tonfiguren in unterschiedlichsten Formen gibt es da: Schiffe, Häuser, Pferde, Krieger, Tänzer, einen König und ein paar Hühner.
Besonders gut hat mir die Kotospielerin gefallen (könnte aber auch ein Kotospieler sein).
Reichlich bizarr fand ich diese Kriegerfiguren hier. Von denen gab es eine ganze Menge, und alle haben dieses merkwürdige Grinsen im Gesicht.
Eine gute halbe Stunde bin ich durch den Haniwagarten spaziert, habe die Figuren bewundert, Fotos gemacht und die Atmosphäre auf mich wirken lassen. Danach gab es in dem Park nichts mehr, was mich interessiert hätte, und so kehrte ich zur Bushaltestelle zurück. Mein nächstes Ziel war das Miyazaki Prefectural Museum of Nature and History, in dem ich mir doch noch ein paar Originalhaniwa ansehen wollte.
Auf der Hinfahrt hatte ich gesehen, daß die Busstrecke am Kulturpark von Miyazaki vorbeiführt, in welchem sich das Kreiskunstmuseum befindet. Die Nordostecke vom Kulturpark wiederum liegt direkt gegenüber dem Park rund um den Miyazaki-jingū, in welchem sich wiederum das Museum befindet, das ich mir ansehen wollte. Das sollte also problemlos zu finden sein.
Ich hatte Glück: als ich an der Bushaltestelle ankam, fuhr gerade der Bus vor. Ich war der einzige Fahrgast und fragte den Fahrer sicherheitshalber noch mal, ob der Bus auch wirklich am Kreiskunstmuseum halten würde. Der gute Mann antwortete mir mit einem Wortschwall, aus dem ich nur so viel verstand, daß ich diesen Bus nehmen könne. Und er sagte mir auch rechtzeitig Bescheid, als wir an die gewünschte Haltestelle kamen. Nett!
Das hier ist das Kreiskunstmuseum. Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, auch dort in die aktuelle Ausstellung zu gehen. Aber dann sagte ich mir, daß ich nicht nach Südjapan gefahren bin, um mir eine Ausstellung über Maria Theresia und Marie Antoinette anzusehen, und habe es sein gelassen.
Ins Naturkundemuseum wurde ich erstaunlicherweise für umsonst reingelassen. Die Dame an der Kasse sagte irgendwas von "yasumi" (Feiertag). Was auch immer der Anlaß war - ich habe gar nicht erst angefangen, mich zu beklagen.
Im Erdgeschoß gibt es eine riesige Ausstellung zu Fauna und Flora der Präfektur Miyazaki. Inklusive eines Skeletts eines beängstigend riesigen Tyrannosaurus Rex (aber wenn ich das Schild richtig interpretiert habe, war das die Kopie eines amerikanischen Originals). Von so ziemlich jedem Tier, das dort unten heimisch ist, konnte ich mir ein Präparat ansehen. Die Vögel und Säugetiere waren ja alle noch ganz hübsch, ebenso die Schmetterlinge, aber bei den meisten Tieren war ich doch heilfroh, mit denen nicht weiter in Kontakt gekommen zu sein (Käfer, Spinnen, Schlangen, Kakerlaken, ...).
Im Obergeschoß gab es dann Exponate zur Volkskunst. Einige Originalhaniwa und andere Grabbeigaben, darunter einen Goldteller, den man ausdrücklich nicht fotografieren durfte, waren das erste, was ich mir ansehen konnte. Interessant waren auch die zahlreichen Handwerksgegestände, auch wenn ich meistens nur erahnen konnte, was man damit anstellen kann. Am Eingang hatte ich (auf Nachfragen) ein englischsprachiges Infoblatt bekommen, aber allzuviel Inhalt hatte das nicht. In einer Ecke liefen kurze Filmchen zu den verschiedenen matsuri, die in Miyazaki und Umgebung übers Jahr hinweg gefeiert werden, in einer Dauerschleife. Davon habe ich auch nichts verstanden, aber es war wirklich interessant anzusehen.
Hübsch war auch die Ecke, in der sie ein kleines Wohnhaus aus den 50er Jahren aufgebaut hatten. Das konnte man sogar betreten (aber nur bis zur Türschwelle, Japaner betreten eine Wohnung ja grundsätzlich nicht in Schuhen). Drum herum war Kinderspielzeug ausgestellt (das aber wahrscheinlich teilweise jünger war). Eine Bekannte habe ich auch gesehen: in einem Schaukasten mit Anziehpuppen aus Papier war Heidi.
Viel war nicht los im Museum, während ich mir die Ausstellung angesehen habe, habe ich nur einen einzelnen Mann getroffen, der sich den Film über die geologische Geschichte der Präfektur angesehen hat. Eine Weile habe ich auch zugesehen, aber weil ich davon absolut nichts verstehen konnte, wurde es bald langweilig. Eine Grundschulklasse war auch da, aber die müssen einen anderen Weg durch die Ausstellung genommen haben, jedenfalls traf ich die Kinder erst draußen auf der Rasenfläche vor dem Haupteingang wieder.
Hinter dem Museumsgebäude gibt es noch etwas sehr interessantes: drei Bauernhäuser und das Haus eines Landsamurai (der nicht allzu wohlhabend gewesen sein kann) aus der Gegend. Alle sind sie zwischen 100 bis 220 Jahre alt. Das hier ist das älteste aus der Gruppe, ein kleines Bauernhaus aus dem Nordwesten der Präfektur Miyazaki, 1787 gebaut.
Es ist winzig und hat nur zwei Zimmer, aber immerhin ansatzweise Tatamimatten rund um die Feuerstelle.
Als ich die vier Häuser alle ausgiebigst betrachtet hatte, verspürte ich ein leichtes Hungergefühl, daher nahm ich den nächsten Bus Richtung Stadtzentrum. Nach einer Weile fand ich ein gutes Restaurant:
Ogura, von meinem Reiseführer als "café-style restaurant offering good, cheap food". Das hatte ich am Montag schon verzweifelt gesucht. An dem Tag war ich wirklich reichlich orientierungslos. Aber das Restaurant ist auch wirklich gut in einer extrem schmalen Seitenstraße direkt hinter einem der großen Kaufhäuser versteckt.
Das Ogura ist ein historischer Ort: hier wurde 1967 das gute Chicken Nanban erfunden. Habe ich natürlich wieder bestellt. Das Essen war wirklich lecker, aber die Portion war viel zu groß. Ich hatte Kohldampf, aber irgendwann ist der Magen auch einfach voll.
Nach dem Essen bin ich dann noch weiter durch die Innenstadt spaziert, habe einen Schaufensterbummel gemacht und einen kleinen japanischen Garten entdeckt.
Nichts dolles, aber nett gemacht (mit Gärten kennen die Japaner sich aus, das muß man ihnen lassen). Erstaunlich, wie viele Koi in so einen kleinen Teich passen, ohne sich gegenseitig aufzufressen (oder etwa doch?... :-o ).
Irgendwann gab es nichts mehr zu sehen, also habe ich meinen Koffer aus dem Hotel geholt und mich auf einen Kaffee zu Starbucks gesetzt, bevor ich gegen halb fünf in den Bus zum Flughafen gestiegen bin.
(Bevor sich wieder jemand wundert: das Foto wurde durch eine dicke Fensterscheibe aufgenommen, daher der Spiegeleffekt auf den Wolken).
Der Flug war reichlich unspektakulär. Wegen der Dunkelheit war nichts zu sehen, daher war ich der Stewardess wirklich dankbar, die mir extra eine englischsprachige Zeitung heranschaffte.
Spannend war nur der Landeanflug über Ōsaka. Wahnsinn, wie viele Lichter in dieser Stadt leuchten! Ich habe vergeblich versucht, etwas zu erkennen. Erst als das Flugzeug über den Yodo-gawa flog, wußte ich so ungefähr, wo wir waren. Ganz schön breit, dieser Fluß. Shin Ōsaka-eki habe ich erkannt, nicht aber das Haus, in dem ich lebe, obwohl wir sicher ganz nah dran vorbeigedonnert sind.
In Ōsaka goß es in Strömen, und wir mußten das Flugzeug über das Rollfeld verlassen. Aber am Fuß der Ausstiegstreppe erwarteten uns zwei Flughafenmitarbeiter in REgenmänteln mit einem riesigen Vorrat an JAL-Regenschirmen, die sie in Windeseile für uns Passagiere aufspannten. Am Eingang zum Flughafenterminal wurden die Schirme von zwei weiteren Mitarbeitern wieder eingesammelt.
Auschecken ging schnell, dann mußte ich nur noch auf den Flughafenbus nach Shin Ōsaka warten. Dieser hatte schon an einer anderen Haltestelle am Flughafen Fahrgäste aufgenommen, aber obwohl ich mit ziemlich vielen Leuten in der Schlange stand, fanden wir alle einen Sitzplatz. Die zuletzt Eingestiegenen mußten allerdings mit den runterklappbaren Plätzen im Mittelgang Vorlieb nehmen.
Japaner gelten im allgemeinen als besonders höflich, und im großen und ganzen stimmt das auch. Allerdings ist die Höflichkeit oft eher oberflächlich. Man ist höflich, weil man das halt so macht und weil man vor den anderen das Gesicht nicht verlieren will. Aber manchmal tritt die Rücksichtslosigkeit deutlich zutage. So auch im Flughafenbus. Wie gesagt, einige Fahrgäste waren schon an einer anderen Haltestelle zugestiegen. In jeder Reihe war auf jeder Seite des Ganges schon einer der beiden Plätze besetzt. Wer alleine reist, der hat dann ja auch gerne einen Einzelplatz. Uns später Zugestiegenen blieben daher nur die Plätze am Gang (bzw. im Gang) übrig. Außer in meiner Reihe. Ich hatte den Platz am Gang auf der rechten Seite des Busses erwischt, und auf der linken Seite hatte es sich ein beleibter Geschäftsmann bequem gemacht, die dicke Aktentasche auf den Knien. Der Fensterplatz neben ihm war noch frei. Ein jüngerer Mann, ebenfalls Geschäftsreisender, wollte sich nun ebenfalls in diese Reihe setzen (sonst war ja nun auch nichts mehr frei). Anstatt nun einfach auf den Fensterplatz zu rutschen, blieb der Geschäftsmann stur sitzen. Der andere Mann mußte praktisch über ihn und seine Aktentasche klettern (gesagt hat er natürlich auch nichts, dazu sind Japaner zu höflich). Ich habe dem fetten Geschäftsmann einen finsteren Blick zugeworfen, aber der hat einfach geradeaus gestarrt und das gar nicht gesehen. Blöder Kerl.
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2 Kommentare:
Hier hätte ich das auch gesehen, dass das nur Spiegelungen sind. Auf dem anderen Bild war das aber nicht so ersichtlich, wie ich finde. Aber danke das du es für mich dazugeschrieben hast.
Du hättest den Dicken ja auf deutsch beschimpfen können. Er hätte es nicht verstanden und du hättest dich besser gefühlt. :)
"Idiot" hätte er aber vielleicht doch verstanden. Außerdem wäre ich die einzige gewesen, die überhaupt irgendetwas gesagt hätte. Die Fahrt dauerte gut eine halbe Stunde, und die ganze Zeit über herrschte höfliches Schweigen im Bus. Da wäre ich mit meinem Geschimpfe mit aller Wucht ins interkulturelle Fettnäpfchen getreten.
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