Kaum war ich aus dem Urlaub zurück, bin ich an meinem nächsten Wochenende (genauer gesagt: Montag, 9.10.) schon wieder unterwegs gewesen. Viel Zeit bleibt mir ja nicht mehr, und da ich diesen und den folgenden Montag für Andrea arbeite, mußte die Freizeit gut genutzt werden. Die Wettervorhersage war auch vielversprechend, also folgte ich einer Empfehlung von Cari und Anita und fuhr zu einer der drei schönsten Landschaften Japans, nach Amanohashidate im Nordwesten der Präfektur Kyōto.
Amanohashidate ("Himmelsbrücke") ist eine schmale, mit Kiefern bewachsene Nehrung, die sich über 3,6 Kilometer durch die Bucht von Miyazu erstreckt. An der Seite zum offenen Meer hin gibt es schöne Sandstrände, die im Sommer von Touristen bevölkert werden.
Leider fährt nur ein einziger direkter Zug von Ōsaka nach Amanohashidate, wie man mir in der Touristeninformation von Shin Ōsaka erklärte, und so mußte ich über Kyōto fahren. Der direkte Zug von Kyōto wäre dann auch erst in über einer Stunde abgefahren, aber es gab eine Verbindung, wo ich nur einmal umsteigen mußte, nur eine halbe Stunde später. Natürlich habe die genommen. Die Zugfahrt dauerte über zwei Stunden und führte mich ziemlich bald aus dem dichtbesiedelten Teil der Kansairegion in ländlichere Gegenden, durch nahezu unberührt wirkende Täler und an dicht bewaldeten Bergen vorbei. In einer kleinen Stadt mit dem Namen Fukuchiyama (die allem Anschein nach über eine entzückende kleine Burg verfügt) mußte ich umsteigen. Auf dem Bahnsteig sah ich mich gerade suchend um, als eine Japanerin mich auf Englisch (!) ansprach:"Where are you going?" "To Amanohashidate." "That's your train!" Sie fuhr mit demselben Zug und kam später extra zu meinem Platz gelaufen, um mir zu sagen, daß ich an der nächsten Station aussteigen müsse, und schenkte mir zwei schöne Postkarten von Amanohashidate und dem Kiyomizu-dera in Kyōto. Wo immer ich in diesem Land auch hin komme - überall treffe ich wahnsinnig nette Menschen.
In Amanohashidate angekommen, habe ich mich als erstes an der dortigen Touristeninformation mit englischem Infomaterial und Karten ausstatten lassen. Anschließend ging es zur nahegelegenen Sesselliftstation, die auf den Berg Monju führt. Dort oben gibt es einen Vergnügungspark (den ich einfach ignoriert habe) und eine Aussichtsplattform, von der aus man die Sandbank in ihrer ganzen Länge wunderbar überblicken kann.
Das Wetter an dem Tag war einfach fantastisch: nahezu blauer Himmel mit nur ein paar Wölkchen, Sonnenschein bei angenehmen Temperaturen (schätzungsweise leicht über 20 Grad). Ich blieb eine ganze Weile da oben, genoß die Aussicht auf Amanohashidate, die umliegenden Berge und die Bucht - und die japanischen Touristen, die sich die Sandbank an den extra dafür bestimmten Stellen auf die traditionelle Weise ansahen: man stelle sich mit dem Rücken zur Bucht, beuge sich nach unten und sehe durch die gespreizten Beine hindurch. Natürlich habe ich das auch gemacht (leugnen kann ich es eh nicht, wo ich doch gestern schon das Beweisfoto veröffentlicht habe). Wer auch immer ursprünglich diesen Einfall gehabt haben mag - es war eine sehr gute Idee. Über Kopf sieht die Landschaft gleich noch mal so schön aus.
Bevor ich mit dem Sessellift wieder nach unten fuhr, machte ich erst noch Picknick mit Sandwichs aus dem Combini. Selten habe ich bei so schöner Aussicht zu Mittag gegessen.
Das Leben in Japan ist wahnsinnig gefährlich, aber bei dem Sessellift hatte man auf jegliche Absicherung verzichtet. Man setzt sich einfach rein und hält sich irgendwie an der Stange fest, mit der der Sessel am Drahtseil befestigt ist. Das ist nur in den ersten fünf Minuten unheimlich, danach hat man sich daran gewöhnt und genießt die Fahrt. Das geht aber nur, weil der Sessellift ganz gemütlich den Berg rauf- und wieder runterzuckelt. Außerdem fällt man im Zweifel nie tiefer als einen Meter. Schöner ist es übrigens, wenn man wieder runterfährt, weil man die ganze Zeit auf die Nehrung blickt.
Auf die andere Seite der Bucht gelangt man entweder mit der Fähre an der Nehrung entlang oder mit einem gemieteten Fahrrad bzw. zu Fuß über die Sandbank. Letzteres ist ein angenehmer 50minütiger Spaziergang unter Kiefern hindurch und nie weit vom Strand entfernt.
Gebadet hat keiner mehr, aber dennoch waren zahlreiche Touristen am Strand zu sehen, die genau wie ich den Wellen zusahen, die immer wieder von neuem an den Strand klatschten. Einige hatten auch ihre Hunde dabei (nur dieser hatte vorher noch sein Trikot anziehen müssen).
Es war ein schöner Spaziergang, der nur etwas länger als 50 Minuten dauerte, weil ich immer wieder zum Fotografieren stehenblieb. Aber was soll man auch sonst machen, wenn einem alle paar Meter ein neues Motiv vor die Linse kommt? Wenn da eine merkwürdig gewachsene Kiefer steht, eine eigentümliche Wolkenformation zu sehen ist oder besonders hohe Wellen ans Ufer schlagen? (Bei dem Versuch, letzteres zu fotografieren, habe ich mir prompt auch leicht nasse Füße geholt ...)
Nach einiger Zeit war ich dann aber doch in Fuchu angekommen, dem Ortsteil an der Nordseite der Bucht. Da muß man eigentlich gar nicht extra auf den Berg hinauf fahren, um einen schönen Blick auf die Himmelsbrücke zu haben, aber die Fahrt mit dem Sessellift hatte mir so viel Spaß gemacht, daß ich es mir nicht entgehen lassen wollte, das Vergnügen ein zweites Mal zu haben. So stand ich nach einer Weile im Kasamatsu-kōen, und sah mir die Nehrung erneut von oben an. Wieder waren viele Japaner da, die sich - Alt und Jung - zum traditionellen Blick auf Amanohashidate auf die dazu vorgesehenen Steinbänke stellten.
Einige machten dabei sogar noch ein Foto durch ihre gespreizten Beine hindurch. Das ist natürlich Schwachsinn.
Man macht einfach ein Foto, ...
... dreht es dann um, und schon hat man den einzigartigen Eindruck für alle Ewigkeit festgehalten. Funktioniert sogar mit Digitalfotos.
Da oben habe ich dann aber auch von einem netten Japaner mein Beweisfoto bekommen, und dann wurde es auch schon Zeit, sich auf den Rückweg zu machen. Das erkannte ich daran, daß der Sessellift seinen Betrieb eingestellt hatte (was war ich enttäuscht!) und ich die normale Seilbahn nehmen mußte, um wieder nach unten zu kommen. :-(
Auf dem Rückweg auf die andere Seite der Bucht bin ich mit der Fähre gefahren. Eine knappe Viertelstunde lang ging es immer an der Nehrung entlang auf die andere Seite.
Zusammen mit den anderen Fahrgästen stand ich auf dem Oberdeck, ließ mir den frischen Wind um die Nase wehen und sah den Möwen zu, die das kleine Schiff in einem atemberaubenden Tempo umflogen und mit dem Schnabel die Häppchen auffingen, die ihnen von einigen Fahrgästen zugeworfen wurden (ich hoffe nur, daß das spezielles Futter war - nicht, daß die Möwen hinterher Durchfall bekommen).
Es dauerte gar nicht lange, da gesellten sich auch einige der Raubvögel, die ich den ganzen Tag lang majestätisch über die Bucht schweben sah, zu den Möwen und umkreisten die Fähre. Keine Ahnung, was das für Vögel sind (Geisteswissenschaftler ...), und was sie wollten. Sie hatten jedenfalls kein Interesse an den Häppchen oder an den Möwen (die auch eine Nummer zu groß gewesen wären). Vielleicht waren sie einfach nur neugierig.
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7 Kommentare:
Richtig klever mit dem umgedrehten Bild und das, obwohl du nur Geisteswissenschaften studiert hast.
:)
Hast du igendein ein traumatisches Erlebnis gehabt, dass du so häufig betonen musst das du "nur" Geisteswissenschaften studiert hast?
Kritik des Herzens
Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
So hab' ich erstens den Gewinn,
Daß ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen
Vorweg den andern Kritiküssen.
Und viertens hoff ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir bequem.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Daß ich ein ganz famoses Haus.
(Wilhelm Busch)
Ich kenne nur:
Bescheidenheit ist eine Zier, doch besser lebt man ohne ihr.
Aber ich bin auch nur Naturwissenschaftler. :)
Du weißt aber auch nicht zufällig, was das für Vögel sind?
Ich denke dafür habe ich die falschen Naturwissenschaften studiert.
Aber wenn ich raten sollte, würde ich auf einen Kiefernteesa (Gray-faced Buzzard) tippen.
Hi Ute,
you have done such a fantastic job with you web site.
it was a pleasure to work with you in Japan & I hope to continue the friendship.
thank you for the lovely autumn photos.
talk to you soon
Nicky (Australia)
Hi Nicky!
THANKS!
For me, it was a pleasure to work with you, too. I miss you and our lunchs!
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