Am Mittwochabend bin ich mit George zum Daimonji gefahren, aber auch am Dienstagabend war ich in Kyōto, um mir im Kōdai-ji ein kleines Triokonzert anzuhören. Kayo, meine nicht mehr ganz so neue Partnerin vom Sprachaustausch und freischaffende Musikerin, spielte Cello, und zwei Musikstudentinnen spielten Geige bzw. Flöte.
Irgendwie bin ich die ganzen Monate hindurch nicht dazu gekommen, die Infos in Sachen Sprachaustausch zu aktualisieren. Natsuko hat im Februar ihr Studium abgeschlossen und bald darauf ihre erste Stelle angetreten. Dummerweise teilte die Firma ihr ca. eine Woche vor Arbeitsbeginn mit, daß sie in Aichi arbeiten müsse. Das ist ein bißchen weit von Ōsaka entfernt, und somit hatte es sich leider mit dem Sprachaustausch. Aber da kam ich über meinen Kollegen Andreas an Kayo. Ihr Mann lernt mit Andreas Deutsch, und Kayo war ebenfalls daran interessiert, diese Sprache zu erlernen. Jetzt treffen wir uns alle zwei Wochen Donnerstags für zwei Stunden zum Deutsch- und Japanischunterricht.
So. Jedenfalls spielt Kayos Trio in diesem Sommer an vielen Abenden im Tempel Kōdai-ji, und da hatte sie mich eingeladen, doch einmal vorbeizukommen.
Der Kōdai-ji liegt im Ostteil Kyōtos, wo es wahrlich keinen Mangel an Tempeln gibt und ich mich mittlerweile problemslos orientieren kann. U.a. liegt ein Friedhof an der Strecke, die ich abzugehen hatte. Zum Obon herrschte dort auch kurz vor 19 Uhr noch Hochbetrieb, so daß ich einen kurzen Abstecher dorthin machte, um ein paar Fotos zu schießen.
Das sah wunderschön aus, der ganze Friedhof war mit leuchtenden Lampions geschmückt, und viele Leute hatten tatsächlich ihre Putzeimer dabei, um die "leeren" Gräber ihrer Ahnen zu schrubben.
Ich aber war schon etwas spät dran und hastete weiter zum Kōdai-ji. Zum Glück war das kein Konzert, wo pünktlich zu Beginn des Programms die Tore geschlossen werden. Ich kam eine Minute vor sieben am Tempel an, kaufte mir eine Eintrittskarte, und dann ging es ein Stück durch den Tempelgarten zum Hondō, der Haupthalle.
Dieses Foto habe ich später, in der zweiten Pause von der anderen Seite des Gartens aus gemacht. Die große Tür in der Mitte führt in einen großen Tatamiraum, wo das Konzert stattfand. Entsprechend mußten alle Besucher am Eingang die Schuhe ausziehen. Auch die Musikerinnen waren barfuß bzw. in Nylonstrümpfen. Das Publikum saß auf den Tatamimatten, wer zuerst gekommen war, direkt neben einem der drei kleinen Ventilatoren, der Rest holte seine Fächer aus den Taschen. Auch auf der Veranda an der linken Seite (auf dem Bild leider nicht zu sehen) konnte man vor den offenen Türen auf dem warmen Holzboden in der schwachen (sehr schwachen!) Abendbrise sitzen und der Musik lauschen. Während des ersten Teils habe ich auch draußen gesessen, und in der Pause habe ich dann einen Platz drinnen erwischt, wo Kayo mich dann auch tatsächlich sehen konnte.
Die Musik war schön. Leichte, eingängige Klassik, Musicals, wohl auch etwas japanische Popmusik (die ich natürlich nicht kannte) und ein paar etwas moderner klingende Stücke. Ideal für den heißen Sommerabend. Erkannt habe ich: Somewhere Over The Rainbow, I Could Have Danced All Night, Memory, Nessun Dorma und einen Tango.
Von der Veranda aus hatte man einen schönen Blick auf den Zengarten, in dem parallel zum Konzert eine Lichtershow stattfand. Bilder von "Obake" (Geister), die auch auf alten Schriftrollen im Tempel zu bewundern waren, wurden auf die Kieselfläche und die dahinterliegende Mauer projiziert. Teilweise wurden die Bilder auf und ab bewegt, so daß es fast aussah, als hüpften die Geister durch den Garten. Faszinierend. Eine der Gestalten schien nur auf einem Hühnerbein zu laufen und erinnerte mich damit sehr an die Hütte der Baba Jaga.
In den Konzertpausen lief die Diashow ununterbrochen weiter, wurde aber mit moderaten Geistergeräuschen untermalt. In der ersten Pause stand ich plötzlich neben zwei Frauen, wahrscheinlich Mutter und Tochter. Die Tochter hielt ihr ca. einjähriges Kind im Arm, und beide Frauen versuchten, die Aufmerksamkeit des Kindes auf die Gespensterschau zu lenken. Vergeblich, das Kind ignorierte sie völlig und starrte beharrlich in die entgegengesetzte Richtung. Nach einer Weile kamen Mama und Oma auf die Idee, mal nachzusehen, was da so spannend war, drehten sich ebenfalls um und sahen - mich. :-)
In der zweiten Pause hatte ich dann die Gelegenheit, Kayo zu begrüßen, die sich sehr über meine Anwesenheit freute, und ihren beiden Kolleginnen zu sagen, wie gut mir das Konzert gefällt. Danach zogen sich die drei zur Erholung in ihre klimatisierte "Garderobe" zurück, und ich tat es den anderen Besuchern gleich und spazierte durch den von einigen Laternen und Scheinwerfern erleuchteten Tempelgarten, zu dem u.a. ein kleiner Bambushain gehört.
Noch so eine Erfahrung, die man unbedingt machen sollte, wenn man nach Japan fährt: nach Sonnenuntergang durch einen Tempelgarten wandern. Sehr romantisch.
Nach dem Konzert fuhren Kayo und ich dann gemeinsam mit dem Zug nach Ōsaka zurück. Mein Japanisch ist etwas besser als Kayos Deutsch, und da ich kluges Kind mein Wörterbuch mal wieder vergessen hatte, gestaltete sich die Konversation doch etwas mühselig. Ein schönes Zitat entstand auf dieser Fahrt auch:
"Kirchenkonzerte in Deutschland sind manchmal Gemüse."
Traurig, aber wahr: diesen Satz habe ich auf Japanisch produziert.
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