Heute war also der große, mit Spannung (und viel Bammel, ich geb’s ja zu) erwartete Tag: Orientation!
Veranstaltungsort war das Nova-Hauptquartier in Ōsaka-Namba, Mitten im Zentrum der Stadt mit vielen Einkaufsmöglichkeiten ringsum. Das Multimediazentrum (MMC) befindet sich ebenfalls dort.
Um 13:30 sollte es losgehen, aber wer die Gelegenheit nutzen wollte, ein Handy auf ganz unkomplizierte Weise zu bekommen, sollte eine halbe Stunde eher dort erscheinen. Was wir – also Angelica, Elisa und ich – auch getan haben. Angelica hat allerdings noch keine Kreditkarte und konnte somit heute noch kein Handy erwerben. Dennoch sind wir gemeinsam hingefahren, denn Elisa ist immer noch etwas angeschlagen und wollte deshalb lieber mit dem Taxi zum MMC fahren, und wir anderen beiden haben aus Solidarität beschlossen, mit ihr zu fahren und die Kosten für das Taxi zu teilen.
Nachdem wir also so ganz hochherrschaftlich mit dem Taxi vorgefahren waren, sind wir mit einem der Aufzüge ins 19. Stockwerk des Kintetsu Shin-Namba Building gefahren, von dem Nova die Stockwerke 13 bis 20 belegt (das wird toll, wenn ich das erste Mal alleine mit einem dieser Dinger fahren muß... aber das schaffe ich beim besten Willen nicht zu Fuß). Dort bekam jeder noch einmal einen Haufen Papier in die Hand gedrückt, aber einiges durften wir ja auch abgeben, z.B. die Steuererklärung, die Inventarliste der Wohnung und den von uns unterschriebenen Mietvertrag (den wir wenig später von dem zuständigen Nova-Mitarbeiter unterschrieben zurückbekamen). Wir haben unsere Arbeitsverträge unterzeichnet, und zwischendurch ein Handy samt zugehörigem Vertrag ausgesucht und den entsprechenden Antrag ausgefüllt.
Und jeder hat seinen persönlichen hanko bekommen, einen kleinen Namensstempel. Die sind sehr klein und haben etwa den Durchmesser eines dickeren Bleistifts. Bei den Japanern ist das kein Problem, die schreiben ihre Namen in Kanji (die chinesischen Zeichen), da reicht der Platz für. Bei den langen Namen der Ausländer ist das nicht so einfach, die werden in Katakana (der Silbenschrift für Lehn- und Fremdwörter) geschrieben und brauchen etwas mehr Platz. Also steht auf meinem hanko „Ute“ in Katakana, und auf Elisas „Elisa“. Ich habe vergessen, Angelica zu bitten, mir ihren mal zu zeigen, ich wüßte doch gerne, wie sie das Platzproblem gelöst haben...
Mit zehn Minuten Verspätung ging es dann los: ein Vortrag über Nova, über das Leben in Japan und das Unterrichten bei Nova. Im Prinzip nichts neues, das hatten wir alle schon so ähnlich bei dem Interview samt Informationsseminar vorgetragen bekommen, es steht alles auch in den Broschüren drin, die wir von Nova bekommen haben, aber gut. Wahrscheinlich müssen die das so machen, denn es schließlich gibt es in jeder Gruppe mindestens einen Idioten, der das infomaterial immer noch nicht gelesen hat oder meint, er selbst könne damit gar nicht gemeint sein.
Wir waren insgesamt wohl etwas über zwanzig neue Instructors, darunter vier Italiener und eine Deutsche. Alle anderen kommen aus dem angelsächsischen Sprachraum, also Großbritannien, USA, Kanada und Australien.
Etwas mehr als die Hälfte von uns wird im MMC arbeiten, und wir gingen dann nach der allgemeinen Einführung ein paar Stockwerke tiefer. Dort sollten wir alle uns zunächst einmal vorstellen, Vorname und Herkunftsland (es waren zwei da, die anstelle von „USA“ „New York“ sagten – es scheint also zu stimmen, was ich bislang so über New York gehört und gelesen habe: New York ist nicht Amerika!).
Die Einführung für die neuen MMC-Mitarbeiter haben sich ein Mitarbeiter der Personalabteilung und einer der Assistant Trainer geteilt. Letzterer heißt Robin und entpuppte sich als einer der knapp 30 Deutschen, die im MMC beschäftigt sind (das kam raus, als er nach dem einen „German trainee“ fragte und mich dann gleich auf Deutsch begrüßte). Wir wurden ein wenig durch das Gebäude geführt, bekamen das System mit den Zeitstechkarten erklärt und weiteres Material in die Hand gedrückt, das wir allerdings nach dem Training wieder abgeben müssen/dürfen.
Außerdem bekamen wir noch ein Broschüre über Sicherheit am Arbeitsplatz in die Hand, wo es hauptsächlich um das richtige Verhalten bei Erdbeben geht und wo die Sammelplätze sind, falls es mal wirklich ganz gewaltig krachen sollte. Ansonsten ist das Gebäude des MMC erdbebensicher, im Falle eines Erdbebens einer der sichersten Plätze in Ōsaka. Es wurde zwar es nach dem verheerenden Erdbeben in Kōbe gebaut, aber es hätte dieses Erdbeben einigermaßen unbeschadet überstanden. Wie schön, dachte ich, daß ihr das also auch tatsächlich schon in der Praxis ausprobiert habt. Weiter hieß es, daß ein Erdbeben in den höheren Stockwerken weniger ruckartig zu spüren sei, vielmehr gerate das Gebäude in Schwingungen und würde hin- und herpendeln. Die einzige Gefahr bestünde darin, seekrank zu werden, also „don’t worry and just keep teaching“. Wie schön. Ich will bloß nicht in einem dieser verdammten Lifte stecken, wenn das Gebäude zu wackeln oder schwingen oder was weiß ich anfängt.
Hinterher konnten wir dann in die Personalabteilung gehen und unsere Handys abholen (d.h. alle, die eins bestellt hatten). Nur meins war nicht da. Die Leute von Nova erklärten mir, irgend etwas hätte mit meiner Kreditkarte nicht geklappt und ich müßte in den Laden gehen und das da regeln. Na super, da hat Ute es wieder einmal geschafft, sich bei ihrer Kartennummer zu vertun. Zum Glück war es nicht weit, die Wegbeschreibung brauchbar und Angelica ist auch mitgekommen (weil wir hinterher gemeinsam mit der U-Bahn zurückfahren wollten, um die reguläre Strecke zumindest einmal abgefahren zu sein, bevor es dann ab morgen richtig ernst wird; Elisa ist wieder mit dem Taxi zurückgefahren).
In dem Laden war dummerweise keine von den beiden Frauen mehr zu sehen, die mittags die Bestellungen aufgenommen hatten. Ärgerlich, denn die zwei sprachen Englisch. Der Verkäufer, den ich da erwischt hatte, sprach nur ein rudimentäres Englisch. Aber immerhin habe ich dann doch verstanden, was das Problem war. Die wollten meine Kreditkarte nicht, weshalb auch immer. Der Verkäufer hat mir dann erklärt, daß ich erst ein Konto bei einer japanischen Bank eröffnen müsse und dann mit Paß, Alien registration certification (das bedeutet, daß ich noch mal zum Ward office latschen darf, weil man dieses Zertifikat nur für einen einzigen Zweck benutzen darf du ich meines ja brauche, um ein Bankkonto eröffnen zu können – blödes System!), mein Sparbuch etc. mitnehmen muß. Ärgerlich, extrem ärgerlich. Na ja, morgen muß ich sowieso erst einmal mein Bankkonto eröffnen, und wenn ich dann wieder bei Nova bin, werde ich die mal um Rat fragen. Elisa meinte jedenfalls, als ich dann später wieder zuhause war, ich solle es einfach in einem anderen Laden oder sogar in einer anderen Filiale versuchen, manchmal würden sich die Leute halt etwas anstellen. Wie gesagt, ich frage morgen bei Nova noch einmal nach.
Mein Arbeitsplan sieht jetzt folgendermaßen aus:
Dienstag bis Donnerstag 12:30 AM – 8:10 PM Training
Freitag day off
Samstag, 29.10.2005: mein erster regulärer Arbeitstag!!!!
Elisa hat Pech: ihr Training beginnt schon um 7:30, und Angelica muß um 10:00 hin.
Ab Samstag sieht meine Woche dann so aus:
Sonntag: 3:00 PM – 10:20 PM
Montag: off
Dienstag: off
Mittwoch: 10:50 PM – 2:55 PM
Donnerstag: 3:10 PM – 10:40 PM
Freitag: 6:40 PM – 10:40 PM
Samstag: 3:10 PM – 10:40 PM
Daß ich abends erst so spät nach Hause komme, ist natürlich nicht so toll, aber immerhin habe ich keine Nachtschichten und schließlich gibt es auch für die Abendschichten eine hübsche Zulage, wenn die Probezeit erst einmal vorbei ist. Das wird am letzten Tag des Jahres der Fall sein. Dann bekomme ich auch etwas mehr Geld (26.000 Yen Schichtzulage und 5.000 Qualifikationszulage – das ist halt der Vorteil, wenn man noch einen ordentlichen deutschen Hochschulabschluß, einen anständigen Magister Artium, anstelle eines bolognisierten Abschlusses hat. Elisa wartet noch auf ihr Master-Zeugnis, damit sie auch diese Zulage bekommen kann. Schichtzulagen wird es für sie vorerst nicht geben, die arme hat lauter Frühschichten erwischt.
Angelica und ich haben in der Oktoberausgabe von „Kansai Time Out“, einer englischsprachigen Zeitschrift mit Kulturterminen und ähnlichem im Anzeigenteil eine Anzeige einer Amnesty International-Gruppe entdeckt, in der Englisch gesprochen wird und die sich jeden zweiten Sonntag trifft. Hoffentlich nicht abends oder nachmittags (was allerdings ziemlich unwahrscheinlich ist), denn diese Gruppe wäre eine ideale Gelegenheit, andere Leute außerhalb von Nova kennenzulernen und gleichzeitig ein bißchen soziales Engagement zu zeigen und über Politik zu diskutieren. Schichtwechsel sind nämlich erst nach Ablauf der Probezeit drin. Immerhin habe ich denen schon mal eine Email geschickt.
Und jetzt kann ich mich ja auch um Sprachkurse kümmern, ich muß dringend mehr Japanisch lernen, sonst bin ich hier echt aufgeschmissen!
Und dieser Post ist schon wieder so wahnsinnig lang geworden...
2 Kommentare:
Sach mal - worin begründet sich eigentlich Deine Abneigung gegenüber Aufzügen?
OK, bei nem Erdbeben muß ich da auch nicht unbedingt drinstecken, aber ansonsten??? Oder sind die noch schlimmer als in Moskau (ich dachte, seitdem wärst Du davon geheilt)?
Alles in allem hast Du m.E. doch ganz gute Arbeitszeiten erwischt, kannst morgens ein bißchen bummeln oder was ansehen gehen und dann danach arbeiten. Klingt für mich (die ich ja nicht vor 11:59 a.m. wach werde), ganz prima.
Das muß eine Art beginnender Klaustrophobie sein, die sich allerdings auf geschlossene, enge Räume beschränkt, die sich bewegen oder sonst wie high-tech-mäßig ausgestattet sind (eine öffentliche selbstreinigende Toilette in Berlin letzten Sommer - echt unheimlich), und außerdem von meiner jeweiligen Tagesform abhängt. Und solange ich nicht alleine da drin stecke, ist eh alles o.k. Das ist 'ne ganz merkwürdige Sache.
Und was meine Arbeitszeit betrifft: ich finde die ja auch gut, vor allem seit Barbara mich darauf hingewiesen hat, daß man zu diesen Zeiten auch ganz bequem zur Arbeit bzw. nach Hause kommt, weil die U-Bahn nicht so voll ist.
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