Am Dienstag sollte es also nach Kagoshima gehen, das sich an einer Bucht in Südwestkyūshū befindet. Inmitten dieser Bucht erhebt sich einer der aktivsten Vulkane der Welt, Sakurajima, auf einer Insel. Die Zugfahrt von Miyazaki nach Kagoshima dauert zwei bis drei Stunden. Enstprechend bin ich früh aufgestanden, und stand schon um kurz nach sieben im Frühstücksraum meines Hotels. Da gab es ein japanisches Frühstücksbüffet - alles sehr lecker, aber mehr und vor allem gehaltvoller, als ich bei der ersten Mahlzeit des Tages vertrage. Ich habe mich dann an den Salat, etwas Fisch und etwas Reis gehalten. Und vor allem an den guten Kaffee.
Kurz nach acht Uhr war ich am Bahnhof von Miyazaki und ging zum Fahrkartenschalter. Da war zum Glück nichts los, so daß der freundliche Schalterbeamte sich viel Zeit nehmen konnte. Ich hatte zwei Möglichkeiten: den Limited Express (Fahrzeit: gut zwei Stunden, dafür muß man zusätzlich zum Fahrpreis noch einen saftigen Zuschlag bezahlen) und den Local Train (Fahrzeit: drei Stunden). Der nächste Express sollte erst gegen halb zehn fahren, die Bummelbahn eine Stunde früher. Weil die Bummelbahn dann auch noch ein paar Minuten eher in Kagoshima sein sollte, habe ich also eine normale Fahrkarte gekauft. Und mir noch sagen lassen, wann der letzte Zug aus Kagoshima abfährt. Sehr wichtig, denn übernachten wollte ich da nicht. Als das geklärt war, fragte mich der Mann noch, aus welchem Land ich denn käme. Der konnte sogar ein bißchen Deutsch und ließ es sich nicht nehmen, das (sehr zu meiner Belustigung und der seiner Kollegin) auch gleich vorzuführen: "Guten Tag. Ich liebe dich." :-D
Um 8:40 startete die Bummelbahn nach Kagoshima. Drei Stunden lang ging die Fahrt durch die gebirgige Landschaft von Südkyūshū. Mal ganz nah an den Bergen vorbei und durch Tunnel hindurch, mal durch fruchtbare Ebenen oder Täler, die Berge stets im Hintergrund. Mal hielt der Zug an der buchstäblichen Mülltonne, mal in verschlafenen oder weniger verschlafenen Kleinstädten. Schön war's. In den letzten 30 bis 45 Minuten (auf die Uhr gesehen habe ich nicht) führte die Bahnstrecke mal mehr, mal weniger dicht an der Bucht von Kagoshima vorbei, und ziemlich bald konnte ich schon einen ersten Blick auf den Vulkan werfen.
In Kagoshima-eki, ("eki" heißt "Bahnhof"), dem ehemaligen Hauptbahnhof der Stadt und jetzt der vorletzten Station, stieg ich aus, denn von hier war es nur ein kurzer Fußmarsch bis zum Fähranleger. Keine Ahnung, wie der neue Hauptbahnhof von Kagoshima aussieht, aber Kagoshima-eki ist ein winziger Bahnhof mit vier Gleisen und zwei Bahnsteigen, einem Kiosk und einem winzigen Fahrkartenschalter. Die Touristeninformation, die sich laut Reiseführer dort befinden sollte, habe ich auch nicht entdecken können. Machte nix, den Weg zur Fähre habe ich auch so gefunden.
Vom Parkplatz des großen und modern anmutenden Fährterminals hatte ich dann erstmals eine unverstellte Sicht auf Sakurajima. Leider war es bewölkt, so daß ich nicht erkennen konnte, was nun "normale" Wolke und was Aschewolke war. Aber später konnte ich es doch noch "richtig" qulamen sehen.
Die Fährverbindung ist ausgezeichnet, alle zehn bis fünfzehn Minuten fährt eine Fähre nach Sakurajima bzw. wieder zurück. Die Fahrt selbst dauerte nur eine Viertelstunde, und so dauerte es gar nicht lange, da war ich auf der Vulkaninsel gelangt. Strenggenommen ist es gar keine Insel, aber dazu komme ich später. Hier gab es auch eine Touristeninformation, wo ich mich erst einmal mit Infomaterial eindeckte und mich nach der Bustour rund um die Insel erkundigte. Sakurajima hat einen Umfang von ca. 40 km, das wäre zu Fuß doch etwas weit gewesen. Die Bustour gibt es zweimal täglich, eine vormittags, eine nachmittags. Bis dahin hatte ich noch jede Menge Zeit, also fragte ich (auf Japanisch, die Englischkenntnisse meiner Gesprächspartnerin waren doch etwas begrenzt), was ich in der Zwischenzeit machen könne. Das Sakurajima Visitors Center wurde mir empfohlen, zu Fuß nur zehn Minuten entfernt.
Dort konnte ich mich über Vulkane im allgemeinen und Sakurajima im besonderen informieren, wenn auch fast alles wieder ausschließlich in Japanisch gehalten war. Aber einige Erklärungen gab es doch auch auf Englisch, und im übrigen sprachen die Bilder auch für sich. So erfuhr ich etwas über die größten Ausbrüche der letzten Jahrhunderte, von denen der gewaltigste der von 1914 war. Dabei versperrten gewaltige Lavaströme eine besonders schmale Meerenge zwischen der Insel und dem Festland, so daß Sakurajima seitdem eine Halbinsel ist. Eine andere interessante Information: im vergangenen Jahr hatte es 17 kleinere Eruptionen gegeben, in diesem Jahr schon 40.
Danach mußte ich einmal die sanitären Anlagen aufsuchen. Auf dem Rückweg stieß ich mit einer anderen Besucherin zusammen. Auch eine Ausländerin. Eine junge Amerikanerin, die mit ihren Eltern in Japan Urlaub machte. Der Vater ist Geographieprofessor an einer Uni und nutzt sein Forschungsfreisemester, um mit seiner Familie durch Asien zu reisen, erfuhr ich später. Auch sie hatten vor, die Bustour mitzumachen, und so verabschiedeten wir uns nur für eine Weile, denn ich war mit meinem Rundgang fertig und wollte mir erst einmal ein Mittagessen besorgen. Das tat ich dann auch in dem Supermarkt, an dem ich auf dem Weg zum Besucherzentrum vorbeigekommen war. Ich kaufte mir ein kleines Bento und was zu Trinken. Damit zog ich zurück zum Fähranleger, kaufte eine Karte für die Sightseeing Bus Tour und setzte mich auf eine der Bänke an der Bushaltestelle, um mein Mittagessen zu verzehren. Nach einer Weile kam die amerikanische Familie hinzu, und während die beiden Frauen erst einmal verschwanden, setzte sich der Vater mit auf die Bank. "Meine Tochter sagt mir, Sie kommen von Deutschland?"
Es gibt Dinge, die erwartet man einfach nicht, und fließend Deutsch sprechende Amerikaner an einer Bushaltestelle in der japanischen Provinz gehören dazu. Seine Mutter ist Deutsche, deshalb "mußte" er als Kind Deutsch lernen. Verwandtschaft in Deutschland hat er auch. In Sennestadt (das dürfte auch den leichten Grammatikfehler in seinem ersten Satz an mich erklären). Die Welt ist wirklich ein Dorf.
Der Bus kam, und einige Tourteilnehmer waren schon an einer anderen Station eingestiegen, darunter auch ein weiteres westliches Ehepaar. (Bei dem zweiten Stop hatte ich Gelegenheit, ein paar Brocken ihrer Unterhaltung aufzuschnappen. Dreimal dürft ihr raten, was für Landsleute das waren ... ) Für uns Ausländer verteilte die freundliche Fremdenführerin Mappen, in denen die wichtigsten Punkte der Tour auf Japanisch und Englisch erklärt waren.
Besonders interessant fand ich die Friedhöfe, an denen wir vorbeikamen. Anders als sonst in Japan üblich, hat jedes Grab sein eigenes Dach. Einmal natürlich wegen der Asche, die regelmäßig vom Vulkan ausgespuckt wird, zum anderen aber auch, weil es in der Region immer besonders heiß ist und die Blumen auf den Gräbern in Rekordzeit verwelken. Es heißt, die Präfektur Kagoshima habe den größten Verbrauch an Schnittblumen in ganz Japan.
Die Tour im klimatisierten Bus dauerte knapp zweieinhalb Stunden und führte einmal ganz um die Insel herum. Dreimal durften wir für jeweils eine Viertelstunde zum Fotografieren (und Andenkenkaufen) den Bus verlassen. In der Zwischenzeit habe ich mit wechselndem Erfolg versucht, aus dem Bus heraus Fotos zu machen. Weil die Fensterscheiben eingetönt waren, sind diese Bilder alle irgendwie grünstichig.
Als erstes fuhr der Bus ein wenig den Berg hinauf, bis wir an der Yunohira-Aussichtsplattform angelangt waren, wo wir alle aussteigen durften. Für uns Ausländer hatte die Fremdenführerin die Abfahrtszeit mit Kugelschreiber auf ihren Handrücken gemalt, damit wir auch bloß nicht zu spät kommen.
373 Meter hoch liegt die Aussichtsplattform, und die Aussicht ist wirklich grandios. In alle Richtungen: auf den Vulkan, auf die Bucht und auf die Stadt mit den umliegenden Bergen. Toll! Schon nach wenigen Minuten mußten wir uns von dem Anblick leider losreißen, denn die Tour ging weiter.
Das muß man sich ungefähr so vorstellen: der Bus fuhr, und währenddessen redete die Fremdenführerin. Mit anderen Worten: ununterbrochen. Klar, daß da die ordentlich durchnummerierten Erläuterungen in der Mappe nur die wichtigsten Informationen enthielten. Entsprechend ließ ich den Wortschwall ungerührt von einem Ohr rein und zum anderen wieder rausrauschen, denn ich hatte längst den Faden verloren. Den fünf anderen Gaijins ging es mit Sicherheit genauso (plus einigen japanischen Fahrgästen, die einfach wegnickten und so den größten Teil der Fahrt verpennten). Aber genau dreimal dachte die Fremdenführerin daran, uns die aktuelle Nummer des Programms durchzugeben ("Nammbaaaa twentiiii for").
Das erste Mal, als wir an dieser kleinen Plantage vorbeifuhren. Hier wachsen besonders kleine Mandarinen, eine Berühmtheit von Sakurajima. Ca. 50 % der auf Sakurajima erhältlichen Omiyage enthalten diese Mandarinen oder haben zumindest ihre Form.
Beim zweiten Mal durften wir die Felder bewundern, auf denen Monsterrettiche wachsen, eine Berühmtheit von Sakurajima. Diese Dinger werden auf den fruchtbaren Vulkanböden besonders groß (ich habe Fotos gesehen, da sieht man ein Kleinkind neben einem Riesenrettich, und das Kleinkind ist nur unwesentlich größer als die Rübe), und ca. 50 % der auf Sakurajima erhältlichen Omiyage enthalten diesen Rettich oder haben zumindest seine Form.
Wieder mal typisch japanisch, dachte ich mir, die denken wirklich NUR ans Essen.
Aber wir wurden ja noch ein drittes Mal auf den aktuellen Stand der Tour aufmerksam gemacht. Das war, als wir an diesen Bäumen vorbeifuhren. Deren Wurzeln krallen sich an Mauerwerk fest und sorgen so selbst bei dem stärksten Taifun noch für maximale Stabilität. Bei Erdbeben vermutlich auch.
Trotzdem habe ich überlegt, warum wir Ausländer ausgerechnet noch auf diese Bäume, so bemerkenswert sie auch sein mögen, aufmerksam gemacht wurden. Nach einer Weile bin ich auf die einzig logische Erklärung gekommen: wahrscheinlich kann man von diesen Bäumen auch noch irgendwas essen, und es wurde bloß sträflicherweise vergessen, diese wirklich essentielle Information auch in den englischen Text einzufügen.
Nach einer Weile hatten wir Sakurajima zur Hälfte umfahren, die Wolken hatten sich ein winziges bißchen von den Gipfeln gelöst, die Sonne stand auch einigermaßen günstig, da konnte ich aus dem Südgipfel, dem einzigen (derzeit?) aktiven Krater und hier links im Bild, ganz leichte Rauchschwaden aufsteigen sehen. Ist auch in der Vergrößerung leider nur undeutlich zu erkennen. Glaubt's mir einfach.
Der zweite Stop war ein Andenkenladen in der Nähe eines ehemaligen Schreins, der 1914 von den Lavamassen fast vollständig verschüttet wurde. Nur die beiden Querbalken der steinernen torii ragen noch hervor. An dem Schrein selbst fuhr der Bus vorbei, und das Foto ist mir leider total verwackelt.
In dem Andenkenladen habe ich dann aber nur eine Packung Mandarinen-Omiyage für Kayo gekauft. Die Verkäuferin sagte mir, es sei "amari amakunai", "nicht allzu süß". Dann hoffe ich mal, daß unsere Vorstellungen von "süß" und "nicht allzu süß" nicht allzu sehr auseinandergehen.
Der letzte Halt war am Arimura Lava Observation Point. Hier befindet sich ein riesiges Lavafeld von 1914. Der kleine runde Hügel im Hintergrund gehört zu der kleinen Halbinsel, deren Teil Sakurajima seit jenem Ausbruch ist. Das ganze Lavafeld ist von kleinen Nadelbäumen (Pinien?) bewachsen, die Aussicht ist wieder toll - schön war es da. Und heiß. Von oben wärmte die Sonne, von unten das Lavagestein. Das scheint Wärme gut aufzunehmen und wieder abzugeben. Jedenfalls war es doch eine Erleichterung, danach wieder im kühlen Bus zu sitzen.
Kurz vor Ende der Tour kamen wir noch an diesen lustigen Straßenlaternen vorbei. Der qualmende Vulkan und seine Riesenrettiche. Nur die Mandarinen fehlen. Von den Wunderbäumen mal ganz zu schweigen. Aber damit wäre die Laterne optisch auch einfach überladen gewesen. Andererseits - wozu sind eigentlich diese kleinen Querstangen da?..
An der Bushaltestellte vor dem Fähranleger endete die Fahrt, und bis zur Abfahrt der nächsten Fähre waren es nur noch fünf Minuten.
Kurz nach siebzehn Uhr brachte die Fähre uns alle zurück aufs Festland. Nach dem langen Tag war es eine Erleichterung, auf dem Oberdeck zu stehen und mir die frische Seeluft um die Nase wehen zu lassen.
Im Fährterminal verabschiedete ich mich dann von den Amerikanern und meinen Landsleuten und ging zurück zum Bahnhof. Innerhalb der nächsten beiden Stunden fuhren nur noch zwei der teuren Expresszüge. Na ja, dafür war die Fahrt auch eine ganze Stunde kürzer, und da es ziemlich bald dunkel wurde, konnte ich von der schönen Landschaft eh nichts mehr sehen.
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3 Kommentare:
Sehr netter Bericht. Ich glaube bei dem Professor hätte ich auch nicht schlecht geschaut. *lacht*
Aber... wie war das Essen sonst so? ;)
Wie sonst auch in Japan. Das "Chicken Namban" in Miyazaki war wirklich gut.
oh, da beneid ich dich drum. der süden japans sieht soooo schön aus.
sitz hier in kanagawa (yokohama), da gibt es zwar auch schöne stellen und ich hab auch den norden schon gesehen, aber "the grass is always greener on the other side" , ne?
;)
gruss
ataje
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