Das erste Buch über Japan habe ich jetzt durchgelesen, „Ihr Deutschen – wir Japaner“ von Tatsuo Oguro. Der Autor ist Jahrgang 1938 und Theologieprofessor. In Deutschland hat er promoviert und geheiratet. Insgesamt war er 13 Jahre in Deutschland. Das Buch ist 1984 erschienen.
Interessant ist vor allem sein Blick auf die Deutschen, auch wenn ich den Deutschen an sich (den es ja auch nicht gibt, ich weiß) nicht in allem wiedergefunden habe. Vielleicht hat sich die Mentalität in den letzten 20 Jahren doch stärker gewandelt, als ich dachte. Da schreibt er zum Beispiel, daß ihn und andere Japaner die deutsche Art zu Diskutieren erstaune und irritiere. Er nennt ein Beispiel: ein Deutscher fragt einen Japaner, ob die japanische Sprache einen Zusammenhang mit der chinesischen habe. Der Japaner beginnt zu erzählen und zu erklären, kommt aber nicht weit, weil ihn der Deutsche gleich unterbricht und einen Begriff nachfragt, z.B. „was verstehen Sie unter Kultur?“, woraufhin das Gespräch in eine lange Diskussion über die unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes „Kultur“ abdriftet.
So was kann vielleicht auf einem wissenschaftlichen Symposium stattfinden (ich erinnere mich mit Schrecken an die Tagung in Greifswald zum Thema „Ostseeidentität“ letzten Herbst, auf der Jenny und ich waren), aber sonst? So grundsätzlich? Ich habe sogar ein Gegenbeispiel: auf der Abschlußkonferenz der Evaluation der norddeutschen Slawistikinstitute in Hamburg wurde u.a. über die Herausforderung durch Umstellung der Studiengänge auf B.A. und M.A. und die Auswirkungen für das Slawistikstudium diskutiert. Es war grauenhaft. An jeder der fünf beteiligten Universitäten hatte man den B.A. auf seine Weise organisiert, mal waren es drei Jahre, mal vier, mal wird nur eine Sprache studiert, mal zwei, mal war vom Erstfach die Rede, mal vom Zweitfach, ... Man kam zu keinem richtigen Ergebnis, weil jeder von dem System ausging, das an seiner jeweiligen Universität herrschte (und das er auch als einziges kannte) – im Endeffekt haben da lauter gestandene Wissenschaftler mindestens fünfzehn Minuten gekonnt aneinander vorbei geredet. Eine kurze Vorabklärung der Begriffe wäre da sehr von Nutzen gewesen.
Aber vielleicht ist es ja wirklich typisch deutsch und mir fällt es bloß nicht auf, weil ich Deutsche und daran gewöhnt bin?
Was allerdings interessant ist: Japaner sagen ungern „nein“, während wir in der Beziehung ja ziemlich direkt sind. Ein Japaner wird also erst einmal „ja“ sagen, es aber so einschränken, daß die Ablehnung sozusagen „durch die Blume“ deutlich wird. Zumindest für einen anderen Japaner. Man muß also sehr genau hinhören. Das ist, wie ich finde, schon mal ein sehr wichtiger Hinweis.
Amüsiert hat mich das japanische Vorurteil, die Deutschen seien ungeschickt. Da wir Mitteleuropäer vom Körperbau her in der Regel ja etwas kräftiger und größer als der Durchschnittsjapaner sind, können wir – so der Japaner – einfach nicht geschickt und fingerfertig sein, vor allem nicht auf den Gebieten der Technik und Feinmechanik. Oguro widerspricht:
„Meine Beobachtung der Deutschen in der Wirklichkeit des alltäglichen Lebens widerspricht dagegen diesem Urteil. Deutsche sind im Vergleich auch zu anderen Europäern und Amerikanern trotz ihrer nicht gerade zierlichen Körperstruktur erstaunlich geschickt. Oft beobachtete ich in Japan, daß Amerikaner es während ihres Aufenthalts in Japan nicht fertigbringen, das Essen mit Stäbchen zu erlernen. Nach erfolglosen Versuchen geben sie auf. Kein Deutscher jedoch verläßt Japan, ohne das Essen mit Stäbchen zu beherrschen. Vielleicht allerdings üben die Deutschen in ihrer Gründlichkeit der Vorbereitung schon zu Hause.“ S. 33 f.)
Bislang kann ich noch nicht mit Stäbchen essen. Wer weiß, vielleicht übe ich hier schon mal (dazu müßte ich mir allerdings erst ein paar Eßstäbchen anschaffen), aber vielleicht warte ich damit noch und lasse es mir in Japan von Japanern zeigen.
Außerdem bemängelt Oguro, daß die Achtundsechziger (er selbst ist 1969 nach Deutschland gekommen) viel zu viele Elemente des guten alten Erziehungswesens beseitigt hätten (Disziplin! Anleitung zur Selbstdisziplin!) ohne für Ersatz zu sorgen, so daß die Jugend größtenteils orientierungslos aufwachse. Gut, dasselbe wird heute in der Erziehungs- und Bildungsdebatte auch beklagt, aber wie sähe die Bundesrepublik aus, wenn die Achtundsechziger den Mief der Adenauerzeit nicht beseitigt hätten?
Fazit: eine interessante Lektüre, aber eben doch schon zwanzig Jahre alt.
Gestern hat Japan an seine Kapitulation vor 60 Jahren erinnert (viele ausstehende Gedenkveranstaltungen dürfte es danach jetzt eigentlich nicht mehr geben, oder), und aus diesem Grund hat Premierminister Koizumi sein Bedauern über das Leid geäußert, daß Japan den anderen Völkern Asiens gebracht hat. Vor allem die Koreaner und Chinesen waren damit gemeint. Die Koreaner haben gestern auch den sechzigsten Jahrestag des Endes der japanischen Kolonialherrschaft gefeiert.
Außerdem hat es im Nordosten Japans ein großes Erdbeben gegeben, 7,2 auf der Richterskala. Das ist schon recht heftig. Zum Glück ist keiner dabei ums Leben gekommen, es gab lediglich Verletzte. Und es war ganz weit von Osaka entfernt.
Was mir überhaupt nicht gefällt, sind diese Flugzeuge, die plötzlich verstärkt vom Himmel fallen, auch wenn Japan davon gar nicht betroffen ist.
Heute mittag ein kurzer Anruf bei Nova, meine Unterlagen sind eingetroffen, alles in Ordnung. Jetzt erwarten sie meinen neuen Reisepaß (bzw. seine Kopie) bis Freitag, 2.9. Das sind ziemlich genau drei Wochen vom Datum des Antrags aus gerechnet. Wenn die Ausstellung des Passes sich verzögern sollte, dann soll ich rechtzeitig anrufen und Bescheid sagen. Logo.
Übrigens habe ich mit dem Paß ja direkt Glück gehabt. Ab November sollen ja die Pässe mit biometrischen Merkmalen (Fingerabdrücke und was weiß ich noch alles) ausgestellt werden. Stichwort: Fälschungssicherheit, Kampf gegen den internationalen Terrorismus etc. Außerdem haben die Amerikaner es verlangt. Mir ist ein bißchen unwohl bei dem Gedanken daran, daß jetzt die Fingerabdrücke mit in den Paß sollen, und da ist es mir völlig egal, ob die nun verschlüsselt werden oder nicht. Gut, falls es mich in den nächsten zehn Jahren mal zu einem Urlaub oder was weiß ich in die USA verschlagen sollte, muß ich mir vorher erst ein Visum besorgen, na und? Außerdem darf man für den neuen fälschungssicheren (wer’s glaubt) Paß gleich 50 Euro hinblättern, und ich habe meinen jetzt für die Hälfte gekriegt.
1 Kommentar:
Sagen Sie mal, wohin genau geht's eigentlich? Japan ist ja soooooooooooooo klein denn nun auch nicht...
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