Montag, Februar 13, 2006

Himeji-jō

Endlich! Heute habe ich weder verschlafen noch irgendeinen anderen Grund gehabt, nicht nach Himeji zu fahren. Wäre auch zu ärgerlich gewesen, bei dem herrlichen Wetter heute: wie angekündigt strahlender Sonnenschein und kein Wölkchen am Himmel zu sehen.
(Bei einer leichten Darmverstimmung wirkt eine große Tasse Rooibostee übrigens wahre Wunder über Nacht - ansonsten hätte es heute an dieser Stelle geheißen: eigentlich ...)
Also: strahlender Sonnenschein heute, das ideale Wetter, um sich ein weiteres japanisches Weltkulturerbe anzusehen: Himeji-jō, die Burg von Himeji, eine riesige Anlage und im Original erhalten. Eine Festung gab es an dieser Stelle schon lange, aber ihr heutiges Aussehen erhielt die Burg zwischen 1608 und 1618.


Ich zitiere wieder einmal meinen Reiseführer, den zuverlässigen "Rough Guide To Japan", 3. Auflage, Januar 2005, S. 614:
Of Japan's twelve surviving feudal-era fortresses, by far the most impressive is the one in the city of Himeji, 55 km west of Kōbe. (...) The splendid gabled donjons of Himeji-jō - also known as Shirasagi-jō, or "white egret castle", since the complex is supposed to resemble the shape of the bird in flight - miraculously survived the World War II bombings that laid waste to much of the city, and in 1993 it was added to UNESCO's World Heritage list.

Die Burg ist tatsächlich gigantisch, wunderschön, toll, fantastisch, oder - wie die Japaner bei solchen Gelegenheiten sagen: すごい, sugoi! Die Burg von Ōsaka ist nichts dagegen. Ich weiß zwar nicht, wie ein fliegender Reiher aussieht, aber ich glaube den Japanern die Ähnlichkeit gerne.


Die Besichtigung des gesamten Komplexes dauert etwa 90 Minuten, erfährt man am Eingang - und es stimmt! Denn bevor man durch mehrere Tore und an vielen Türmchen und Mauern vorbei endlich in den Daitenshū, den großen Hauptturm gelangt, geht es zunächst zur westlichen Zitadelle, dem eigentlichen Wohnbereich (der Hauptturm wurde nur in Kriegszeiten genutzt, und es ist auch wirklich kein sehr wohnlicher Ort), von dem allerdings nur noch der Lange Korridor (oben im Bild) und der "Cosmetic Tower" erhalten sind. Den Langen Korridor kann man besichtigen, wenn man seine Schuhe auszieht und statt dessen in ein Paar Museumsschlappen schlüpft. Brav wie ich bin, habe ich das gemacht - und beschlossen, im Hauptturm dann nur in Socken rumzulaufen, denn in etwas zu kleinen Schlappen, deren Oberseite auch viel zu kurz geraten ist, steile Holztreppen hoch- und dann wieder runterzuklettern, ist schlicht lebensgefährlich. Wie gut, daß ich ein Paar der schönen warmen, liebevoll von Oma gestrickten Wollsocken angezogen hatte!


Die Burganlage wirkt schon riesig, wenn man sich ihr von ferne nähert, und je näher man dem Hauptturm (Daitenshū) kommt, desto mehr verstärkt sich dieser Eindruck. Unten sehr hohe, dicke Mauern, und darüber schwebt dann der elegante hölzerne Daitenshū. Eine höchst gelungene Verbindung aus Funktionalität und Ästhetik.


Wie gewaltig der Daitenshū ist, kann man hier ganz gut sehen. Zumal hier jetzt "nur" einer der drei kleineren, mit dem Daitenshū durch Korridore verbundenen Türme zu sehen ist - und zum Größenvergleich ein kleines Menschlein, das seinen Eltern vor lauter Begeisterung davon gestürmt ist (im Schatten auf der Treppe).


An der Südseite des Daitenshū befindet sich eine riesige Freifläche (vermutlich früher einmal mit weiteren Gebäuden bedeckt), die einem einen schönen Blick auf die Stadt und den Bahnhof bietet. Bei sehr klarem Wetter kann man angeblich auch einige Inseln der Seto-Inlandsee noch weiter südlich des Bahnhofs erkennen, aber in der Hinsicht hatte ich heute kein Glück. Der Himmel war zwar klar, aber es war gerade Mittagszeit, da lachte im Süden die Sonne und erlaubte keinen Blick in allzu weite Fernen.

Dann ging es endlich hinein in den Daitenshū. Viel Holz, zugig, und vor allem in den unteren Stockwerken sehr dunkel - kein Wunder, daß die Burgen ständig abgebrannt sind, meinte ich zu einem anderen ausländischen Touristen. So kamen wir ins Gespräch und haben den Rest der Besichtigungstour gemeinsam absolviert. Paul hieß der junge Mann, Engländer, der seinen bei Kyotō lebenden Bruder für ein paar Wochen besucht.
Zu unserer Erleichterung haben die Japaner die 12 Jahre seit der Aufnahme von Himeji-jō in die Weltkulturerbeliste u.a. dazu genutzt, alle Ausstellungsgegenstände auch mit zufriedenstellenden englischen Erklärungen zu versehen - ganz im Unterschied zu anderen Museen. Wir sahen alte Zeichnungen, Tagebücher von Kriegern und Burgbewohnern, alte Waffen und einige Rüstungen. Diese hier hat sogar einen Bart an der Gesichtsmaske.


Ich bin mir nur nicht sicher, ob sich der Feind über den Bart zu Tode erschrecken oder totlachen sollte. Wirkt jedenfalls reichlich bizarr.
Vom obersten Stockwerk des Daitenshū hat man wieder eine wunderschöne Aussicht auf die Stadt.


Hier ist die westliche Zitadelle noch einmal zu sehen. Das weiß leuchtende Gebäude in der rechten Bildmitte ist der "Cosmetic Tower", der gerade renoviert wird, und dahinter schließt der Lange Korridor an. Wie man sieht - die Burganlage ist wirklich riesig.


Und hier noch mal ein Blick in die andere Richtung. Der Fisch auf dem Giebel ist übrigens ein Talisman, der das Gebäude vor Feuer, Erdbeben und anderen Katastrophen schützen soll. Das hat eine gewisse Logik, denn wo Fische leben, hat normales Feuer keine Chance.


Das hier ist ein etwas makabrer Ort: Harakiri-maru, wo die Samurai angeblich Selbstmord begangenen haben sollen. In Wirklichkeit, sagt das Infoblatt, das ich am Eingang bekommen habe, war das Gebäude einer der wichtigsten Verteidigungsposten für das hintere Tor.


Noch ein letzter Blick auf den Hauptturm und die dicken Verteidigungsmauern, dann sind Paul und ich zum benachbarten Himeji Kōko-en, einer wunderschönen Gartenanlage, weitergezogen. Der bebilderte Bericht folgt.

1 Kommentar:

Sabine hat gesagt…

Ich vermisse ein Foto der schönen warmen, liebevoll von Oma gestrickten Wollsocken!

Überhaupt sollte man das mal einführen - statt freitäglicher Katzen- oder Hundefotos einfach mal seine Füße fotografieren, sobald sie in nichtlangweiligen Socken stecken.